Glaenzende Geschaefte
überlastet mit der Unterlastung, wie man es nimmt.« Sie wollte es ein wenig ausführen, es nachvollziehbarer machen, aber sie konnte sich nicht mehr konzentrieren. Denn ihr Blick hatte sich auf diesen Gegenstand auf der Fensterbank geheftet: Er sah aus wie ein kleiner Korb unter einer Plexiglasabdeckung, recht grob und etwas ungeschickt geflochten aus gelb-bräunlicher Weide, ausgestellt wie ein Museumsstück.Sie beugte sich hinunter, um den Korb genauer zu betrachten. Er hatte vielleicht rund werden sollen, war es aber nicht. Dafür trug er auf einem kleinen weißen Schild an der äußersten Kante der Abdeckung den Namen »Logo Work«, und darunter: Jeff Koons.
Jeff Koons. In diesem Fall konnte man auf Rundungen verzichten. Sie trat einen Schritt zurück, ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. Damit hatte sie nicht gerechnet, nein, das konnte nicht sein. Das war unbezahlbar, selbst für ein paar schief zusammengeflochtene Weiden. Es war verrückt, passte nicht an diesen Ort. Oder gerade doch? Jedenfalls erklärte es vor allem eines: Hier schien jemand Geld zu haben oder es im großen Stil zu machen. Und eines war dies hier mit Sicherheit nicht: eine profane Erdbeerfarm.
Sie blickte wieder nach draußen, und es arbeitete in ihrem Kopf. Langsam ordneten sich die Gedanken: Bei genauerer Betrachtung sahen die Tunnelröhren aus wie ein einziges High-Tech-Laboratorium. Aber wofür genau? Bioinformatik? Gentechnologie? Schräge Fantasie eines durchgeknallten Investors, vielleicht irgendwas mit Reproduktionsmedizin, Samenbanken, riesige sterile Samenbanken in freier Natur, getarnt als Erdbeerzuchtbetrieb? Mieze Schindler samt optimaler Befruchtungssorte? Vielleicht, dachte Miranda, waren das alles nur ihre spontanen Assoziationen, die reinsten Hirngespinste, Fantasien einer geistig unterforderten Sekretärin. Aber wer konnte schon sicher sein, dass es nicht so war? Man bewarb sich ahnungslos und leichtgläubig irgendwo, um anschließend vom Glauben abzufallen. Sie hätte es nicht zum ersten Mal erlebt. Und dann dieser Korb. Sie fand jetzt, dass er zweifelsohne aussah wie eine Kinderwiege. Nichts mit Erdbeerkörbchen. Sie hatte Mühe, Fassung zu bewahren, beruhigte sich schließlich damit, dass die Arbeitsagentur vielleicht einfach nur die Bewerberdaten und Angebotsprofile vertauscht hatte. Dazu hätte ein einziger falscher Tastendruck gereicht.
»Sehr fantasievoll, nicht wahr?« Schlick war offenbar Mirandas Blick zum Korb gefolgt, stellte Tassen, Milch und Zuckerauf den Tisch und bot ihr einen Platz an. »Lassen Sie sich nicht von unserem kleinen Kunstwerk da auf der Fensterbank beeindrucken. Es ist nicht von Jeff Koons. Es steht nur sein Name darunter. Das ist ein Unterschied.«
»Entschuldigung, ich verstehe nicht recht.« Miranda wusste nicht, ob es vielleicht die Neugierde war, die sie dazu bewogen hatte, sich zu setzen, kurz nachdem sie entschieden hatte, sich auf gar keinen Fall zu setzen.
Schlick setzte das Tablett ab. »Es ist nichts weiter als ein Stück aufgehobene Vergangenheit, ein kleiner Scherz oder, wenn Sie so wollen, ein Beweisstück dafür, wie schnell sich Menschen täuschen lassen. Das ist eine lange Geschichte, und vielleicht erzähle ich Ihnen irgendwann einmal, was es mit dem Korb auf sich hat.«
Die Neugierde war stärker als das Entsetzen: Miranda blieb und ließ sich den Kaffee servieren. Schließlich gab es Situationen im Leben, die durchlebt werden mussten – selbst wenn man diese im Nachhinein als fatal und durchaus verzichtbar einstufen würde, so waren sie doch meist für irgendetwas gut. Und schließlich hatte sie ja noch alles im Griff, hatte noch nichts unterschrieben, konnte nach der berühmten darüber geschlafenen Nacht immer noch dankend und mit großem Bedauern absagen.
Schlicks Blick schien Miranda zu durchdringen: »Ich kann mir vorstellen, was Sie jetzt denken. Wissen Sie, ich habe auch jahrelang als Sekretärin gearbeitet, bevor ich Herrn Winter kennenlernte. Da war ich wohl zur richtigen Zeit am richtigen Ort, auch wenn andere das vielleicht nicht unbedingt so sehen. Doch seitdem habe ich viel dazugelernt und den Absprung geschafft, und das habe ich auch Herrn Winter zu verdanken. Es ist nicht immer einfach mit ihm, aber eigentlich ist er ein wundervoller Mensch.«
Miranda konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass etwas sehr Nachdenkliches in Schlicks Blick gekommen war, während sie redete, und dass zu ihrer Geschichte noch erheblich mehr gehörte, als sie
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