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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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den Schultern.
    »Dann stecken Sie das verdammte Teil wieder ein.« Nein, er lasse sich nicht missbrauchen, fuhr Kellermann fort, er sei, umdas mal in Löhrings Worten zu sagen, keine emotionale Cash Cow. Und nein, man könne ihn nicht in einem vorgetäuschten Anfall von Mitmenschlichkeit medienwirksam ans Herz drücken, um sich besser zu fühlen, wo es eh nichts zu verbessern gebe. Bonzen wie er wollten doch nur sich selbst helfen statt anderen. Die selbsternannten Gutmenschen seien die Schlimmsten, alle bemitleidenswerte Wesen.
    Mit einer solchen Betrachtungsweise hatte Löhring nicht gerechnet, aber er blieb im Spiel. »Na, Sie sind aber ein Grantler. Emotional etwas unstabil, was? Kenn ich, Mann.« Er sah sich um. »Nette Strafkammer haben Sie hier.«
    »Fuck you«, bemerkte Kellermann, des Englischen immerhin mächtig.
    Also gut, dachte Löhring, der Typ hatte zwar Arme wie ein Gorilla, aber er war zwei Köpfe kleiner als er. Löhring ging im Raum umher, strich über ein Flipchart und blickte unauffällig durch die Glastür nach draußen. Der Beamte hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und las ein Buch. Löhring sprach langsam, während er im Raum umherging. Bloß kein festes Ziel bieten. »›Fuck you‹, also. Sie sollten auf Ihr Wurzelchakra achten, mein Lieber. Ist doch kuschelig hier. Kein Stress, oder? Wird doch gut für Sie gesorgt. Ich meine, Essen, Kleidung, ein Dach über dem Kopf, Arbeit beziehungsweise Studium statt Arbeitsdienst, einundzwanzig Tage Urlaub, wie ich hörte, Versicherung, ärztliche Versorgung vor Ort, TV, Sport, Therapie, Ehefrauenseminar. Hätten ich und meine Frau auch mal gern, glauben Sie mir.«
    Kellermann sprach wieder Englisch.
    Löhring stellte sich auf Abstand bedacht ans Fenster: »Come on. Das Leben ist ein Nullsummenspiel, mein Lieber. Es gibt Gewinner und Verlierer. Tja, und so wie es aussieht, sind Sie der Verlierer, haben sich erwischen lassen. Too bad.«
    Kellermann schwieg.
    »Hören Sie, im Ernst, wenn Sie nicht auf die Leute zugehen, wird das nix mit Ihrer Resozialisierung. Wenn Sie wüssten, wie viele Nasen mir nicht passen! Ich musste auf viele Arschlöcherzugehen, um da zu landen, wo ich jetzt bin.« Löhring schaute durchs Fenster in die gestreifte Landschaft. Kellermann schwieg.
    Es reichte. Dem musste er sich erst gar nicht aussetzen. Wer hatte den ausgesucht? Löhring steuerte auf die Tür ohne Türdrücker zu und klopfte dagegen.
    Kellermann blickte auf: »Sie werden Ärger kriegen.«
    Der Vollzugsbeamte, der Löhring mit hinausnahm, sah ihm in die Augen und wollte wissen, ob alles in Ordnung sei.
    »Hervorragend. Sehr interessant das alles, doch«, erwiderte Löhring. »Hören Sie, ich habe da noch ein paar Anrufe zu tätigen. Ich würde vorschlagen, wir machen für heute Schluss, damit ich mir noch ein paar Gedanken über die nächsten Tage hier machen kann. Ich weiß ja jetzt, was auf mich zukommt. Dies war ein guter Impulstag. Ich sollte aufbrechen.«
    Das sei kein Problem, sagte der Beamte, und er möge sich nicht so viele Gedanken machen. Manchmal würden die Häftlinge erst einmal ihre Grenzen austesten. Wie die jungen Hunde. Und vielen falle es schwer, die passenden Worte für ihre Gefühlslage zu finden.
    Oh, das sei schon in Ordnung, versicherte Löhring, eine durchaus gesunde Reaktion. Er sei ja auch des Englischen mächtig. Und da könne ja jeder kommen, so als Besucher.
    Man öffnete ihm alle Türen nach draußen, und es war das erste Mal an diesem Tag, dass dieses Geklappere mit den Schlüsseln eine befreiende Wirkung hatte, fand Löhring, denn sie konnten nicht nur zuschließen, sondern auch aufschließen. Dieser multifunktionelle Einsatz von Schlüsseln war einem sonst gar nicht so bewusst. Nun aber schon. Es drängte ihn nach draußen wie einen Apnoe-Taucher an die Wasseroberfläche.
    Niemand hielt ihn auf. Als er auf den Parkplatz der JVA lief, kam sein Sodbrennen wieder, er musste aufstoßen. Sein Landrover war nicht zu übersehen, und er wollte da jetzt unbedingt rein. Etwas Komfort, Nasenspray, gewohnte Umgebung. Und dann weg.
    Erst an der ersten Ampelkreuzung konnte er wieder einen klarenGedanken fassen. Die Lüftung lief auf Hochtouren, und er begann, regelmäßiger zu atmen. Was war das denn gewesen? So wie es aussah, hatte er sich von langweiligen Beamten, die dasselbe Hemd an mehr als einem Tag trugen, durch ein einziges Panoptikum führen lassen. Und dann diese Ablehnung, überall Ablehnung. Es konnte doch nicht sein, dass man sich

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