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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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Alphabetisierungs-Schule, die Sporthalle und die PC-Schulungsräume. Löhring kam sich vor wie der Kanzlergatte, dem man als Begleitprogramm und im Rahmen diverser Wohltätigkeitsverpflichtungen die Besichtigung des Lebens außerhalb des eigenen ermöglichte. Sehr schön. Aber ein wenig mehr Nervenkitzel hatte er sich schon vorgestellt.
    Was sein Bezugshäftling Kellermann überhaupt angestellt habe, wollte er wissen, als ihn der mittlerweile fünfte Vollzugsbeamte in die Schulungsräume begleitete. Kellermann sitze ein wegen schweren Raubüberfalls mit Waffenbesitz, neuneinhalb Jahre. Das sei aber verhältnismäßig viel, bemerkte Löhring, wo doch der Totschläger von eben aus Zelle sieben nur fünf Jahrehatte. Schließlich sei bei Kellermann doch wohl kein Mensch zu Tode gekommen. Oder? Nein, antwortete der Herr mit der Schusswaffe an der Hüfte, es gehe da mehr ums Intrinsische, um die Motivlage. Der Totschläger habe seine Tat nicht geplant und im Affekt gehandelt, während Kellermann aus schnödem Gewinnstreben Monate darauf zugearbeitet habe. Das sei schon ein Unterschied, intrinsisch betrachtet.
    Löhring wusste nicht, welchen Typus er sich genau als Schützling im Knast vorgestellt hatte. Aber so einen nicht. Es war alles so banal.
    Kellermann saß bereits im Schulungsraum und blickte noch nicht einmal von seinen Unterlagen auf, als man ihm Löhring vorstellte. Der Häftling war von kleiner, gedrungener Statur und dick, aber nicht auf diese schlaffe Weise, sondern eher stramm, durchaus trainiert, wie ein in die Jahre gekommener Kugelstoßer. Mitte fünfzig mochte er sein, vielleicht auch Anfang fünfzig. Auf seinem Kopf befand sich kein einziges Haar, und er schien diesen Mangel auch selbstbewusst zu pflegen. Die Glatze glänzte in beeindruckend perfekter Ebenmäßigkeit, ohne den Hauch von Nachwuchs. Dafür trug er einen rötlichen Schnauzbart, der ihn älter machte, als er wohl tatsächlich war. Kellermann hatte eine beeindruckende Oberarmmuskulatur, und als er sich aufrichtete, um Löhring dann doch die Hand zu geben, entfaltete sich ein großer roter Stierkopf auf schwarzem Grund auf seinem T-Shirt.
    Er war kein Häschen. Von der allgemeinen Anmutung her sah er ein wenig nach Karstadt aus, fand Löhring. Andererseits konnte man nicht gerade behaupten, dass er austauschbar gewesen wäre. Er roch nach Sandelholz, und bei aller Behäbigkeit hatte er lebendige, wache Augen – ein Vertriebstyp, dachte Löhring, zupackend und helle, nicht mehr und nicht weniger. Es gab schlimmere Exemplare. Aber er mochte ihn nicht.
    Kellermann seinerseits musterte ihn von oben bis unten, missbilligend, wie Löhring schien, und ohne ein Wort. Löhringüberkam ein Unwohlsein. Er hatte am Morgen lange vor seiner Garderobe gestanden und sich schließlich für einen gepflegten Freizeitlook entschieden: Hemd in Bleu, ohne Sakko darüber, auch ohne Krawatte, dazu eine dunkelblaue Jeans. Dies war zwar keine Freizeit, aber richtige Arbeit war es eben auch nicht. Für das, was er hier tat, gab es weder das richtige Wort noch die richtige Kleidung. Er hätte so oder so bescheuert ausgesehen, und genau das schien Kellermann jetzt zu denken.
    Der Vollzugsbeamte entfernte sich mit seinem Bund klobiger, schraubenzieherlanger Schlüssel durch die gläserne Tür, versicherte, er bleibe in Rufnähe, was man für ein wenig übertrieben halten mochte.
    Löhring räusperte sich – entspannt, zugewandt, aber ohne harmlos zu erscheinen. »Ja. Löhring mein Name. Ich sehe, Sie haben sich bereits ins Studium vertieft. Ich soll Ihnen dabei ja ein wenig unter die Arme greifen.« Sein Blick ging zu Kellermanns Oberarmbizeps, und es war etwas mühevoll fortzufahren: »Betriebswirtschaft, nicht wahr? Find ich toll, dass Sie das hier machen. Wir beide kriegen da einen tollen Synergieeffekt hin, glaube ich.«
    Kellermann bemerkte daraufhin, er könne ihn mal.
    »Entschuldigung. Wie bitte?«
    Und nun bekam der Häftling tatsächlich den Mund auf. Er, Kellermann, wisse ganz genau Bescheid. Kein anderer habe Löhring hier haben wollen, weil er Dreck am Stecken habe. So einen wolle man hier nicht. Ob es keine Haftanstalten in England gebe, denn da sei er doch hingeflüchtet.
    Löhring hatte Mühe zu verstehen, von wem oder was sein Gegenüber überhaupt sprach. Von sich selbst oder einem Mithäftling? Er legte sein Handy auf dem Tisch ab, nicht mehr ganz so entspannt mittlerweile.
    Ob er einen Anruf erwarte, wollte der Häftling wissen.
    Löhring zuckte mit

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