Glaenzende Geschaefte
schließlich das goldene oder silberne Aussehen der Käfer bewirken.
Das sei sehr schön, hatte Miranda anfangs bemerkt. Wirklich. Doch was könne man damit anfangen? Sie hatte immer noch recht hilflos auf ihrem Stuhl gesessen, in einer seltsamen Mischung aus Fassungslosigkeit und Faszination, während die Käfer langsam an ihr vorbeigekrabbelt waren.
Und dann hatte sich Winter wieder ans Fenster gestellt und gesagt, hier liege ein Schatz vergraben, den er jetzt heben wolle. Forschung sei schließlich eine kostspielige Sache. Kurzum, die optischen Eigenschaften der beiden Skarabäen könne man nach Ansicht seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter für nichtmetallische Materialien oder Beschichtungen nutzen, die Gold oder Silber zum Verwechseln ähnlich sähen. Ob sie, Miranda, ein wenig Fantasie habe und sich vorstellen könne, was das in Zeiten knapper Edelmetallreserven bedeute? Dies sei im Bio-Tech-Bereich eine Hidden Pearl. Ihm schwebe ein Investorenprojekt über die Vermögensverwaltung der Miteigentümerin vor. Letztere habe für die Holding, die Von-Dangast-Gartencenter AG, bereits exorbitante Kreditlinien laufen und benötige dringend eine innovative Geldquelle. Die Zeit sei somit reif für Großinvestoren undfür ein Return on Investment. Vielleicht sei es noch ein bisschen früh, aber er wolle endlich wissen, wie weit er zu diesem Zeitpunkt bereits gehen könne. Man müsse jetzt erst einmal hilfreiche Stakeholder einbinden, genauer gesagt: den Vermögensverwalter von Etta von Dangast.
Es war mehr ein lautes Denken gewesen. Winter schien vergessen zu haben, dass Miranda ihm gegenübersaß. Doch irgendetwas an ihr hatte ihn zum Reden gebracht, vielleicht ihre andauernde Sprachlosigkeit oder ihre grüblerische, etwas ernsthafte Art, die seiner eigenen nicht unähnlich war.
Kurzum, hatte er dann bemerkt, es könne sein, dass er da tatsächlich jemanden zum Tippen und Telefonieren brauche. Er hatte die Nase krausgezogen beim Sprechen, und es schien ihn Überwindung zu kosten, als er sagte, es käme auf eine erste Versuchsreihe an. Vorläufig nur Teilzeit. Acht Monate Probezeit. Zeitlich befristet auf zwölf Monate. Ab dem heutigen Tage.
Miranda war lediglich der Gedanke gekommen, dass Winter in seiner derzeitigen Disposition vielleicht gar nicht geschäftsfähig war, doch sie hatte sein Angebot angenommen. Winter rief in ihr eine seltsame Mischung aus Anteilnahme und Hochachtung hervor, er war krank und genial zugleich, wobei eine Eigenschaft die andere aufzuwiegen schien. Und selbst wenn er autistisch war, dachte sie, hieß das nicht, dass er nicht unterscheiden konnte zwischen Menschen, die ihm egal waren, und Menschen, mit denen er etwas anfangen konnte. Er konnte offensichtlich Prioritäten setzen, auch menschliche, Leute an sich heranlassen und andere nicht, und das war weit mehr, als manch anderer ohne diagnostizierte Krankheit zu leisten fähig war.
Kellermann stoppte den JVA-Transporter vor einer alten Scheune, die sich etwa vierzig Kilometer entfernt von der Innenstadt befinden musste, so schätzte Löhring. Das Gebäude war Bestandteil eines offenbar verlassenen, rot geklinkerten Gehöfts, das sich in einem erbarmungswürdigen Zustand befand. Löhring konnte zersplitterte Fensterscheiben im Haupthaus erkennen.Neben der Haustür lagen ein altes, zerfetztes Sofa, ein Waschbecken und ein Stapel alter Holzlatten. Der Hof war nicht gepflastert, und nach den Regenfällen der vergangenen Tage war die Erde aufgeweicht und matschig. Der Dreck spritzte bis an die Scheiben. Ob Kellermann früher hier gewohnt habe, wollte Löhring wissen. Die Wege führten einen doch immer wieder auf die eigene Fährte zurück, nicht wahr? Wenn man beim Täter in die persönliche Vergangenheit vordrang, dachte Löhring, konnte man vielleicht Einfluss gewinnen, seine wunden Stellen ausloten. Kellermann jedoch schwieg zu seinen wunden Stellen, stieg aus und knallte die Tür zu.
Zehn Minuten später saß Löhring auf einem Bett, betrachtete den Apfel auf dem alten Kopfkissen und fragte sich, ob er nun träumte oder nicht. Er sah sich um. Kellermann hatte ihn aus dem Wagen gezerrt und in das alte, verfallene Wohngebäude geführt, in einen feucht-klammen Raum, der an ein Jugendzimmer erinnerte: ein schlichter Furnierholzschrank, auf dem ein mexikanischer Folklorehut lag, an einer Wand eine Postertapete mit einem Motorrad darauf, das Bett und ein Nachtschränkchen mit einem hellen Fleck, wo einmal die Lampe gestanden hatte – die
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