Glaenzende Geschaefte
gängige Basisausstattung, wenn man von den Metallriegeln an Tür und Fenster einmal absah.
Das konnte doch alles nicht wahr sein, dachte Löhring. So brachte man Entführungsopfer noch nicht einmal in billigen Filmen unter. Sicher, es war komfortabler als eine Kiste mit selbstgebastelter Lüftung und ohne Licht, wie damals bei Oetker, aber es entsprach nun einmal nicht seinem Originalitätsanspruch. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Was wäre, wenn es sich hier in Wirklichkeit gar nicht um eine Entführung handelte, sondern vielmehr – weit über das Brillenwechsel-Programm hinaus – um ein inszeniertes Manager-Survival-Training mit gesteigerter Konfliktdynamik? Gefährliche Situationen und verzweifelte Momente, die später nichts weiter sein würden als Videosequenzen, die er sich gemeinsam mit einem Personal Coach, gar mit dem Asiaten von Gut Meinberg anschauen würde,um seine High-Level-Conflict-Performance zu bewerten? Ja, es könnte sich in Wahrheit um eine kostenintensive Fortbildung mit einem bezahlten Schauspieler als Kellermann handeln, eine Maßnahme, die ihm irgendein durchgeknallter Geschäftsfreund, vielleicht sogar seine eigene Ehefrau zum Geburtstag geschenkt hatte. Und in diesem Fall wäre alles, wirklich alles bisher steuerlich absetzbar gewesen. Löhring dachte weiter: Der Apfel zum Beispiel, der so auf dem Kopfkissen platziert war, wie man es in billigen Businesshotels zu tun pflegt, war ganz offensichtlich eine Unverschämtheit, verhöhnte ihn geradezu, fand er. Kannten sich echte Entführer in Businesshotels aus?
Mehr als den Apfel gebe es erst einmal nicht, hatte Kellermann gesagt und sich von Löhring eine Liste anfertigen lassen mit den Telefonnummern seiner Familie und seiner Freunde.
Löhring hatte mehrere Nummern daraufgekritzelt: die Handynummer seiner Frau, seines Bruders, diverser Bekannter mit entsprechendem finanziellem Hintergrund und eben die Nummer von Kesch. Er hatte dann noch um ein Nasenspray gebeten. Wenigstens das, seine Pillen waren bereits aufgebraucht, und es war, als würden seine Schleimhäute vor lauter Angst aus der Nase quellen. Er brauchte jetzt irgendetwas Chemisches zur Beruhigung. Es blieb dann doch nur der Apfel.
Am nächsten Tag wurde Löhring unsanft geweckt, und der Typ, der die Hauptrolle in seinem Traum gespielt hatte, stand tatsächlich vor ihm. Er habe alles versucht, herrschte Kellermann ihn an, er habe sich die Finger wundtelefoniert mit Löhrings Handy, alle drei bis vier Minuten Mailboxen besprochen und schließlich eine lange Pause eingelegt zwischen den Anrufen, doch es habe nichts geholfen: Nur zwei Mal sei sein Anruf überhaupt entgegengenommen worden. Einen Löhring kenne man nicht, habe man ihm gesagt. Beim zweiten Mal sei er gefragt worden, wie viel es denn koste, wenn er sein Entführungsopfer einfach behalte. Das sei ja niederschmetternd, zum Schämen sei das. Ob er, Löhring, denn gar keine Freunde habe? Und wer denn Keschsei? Er sei der Letzte auf Löhrings Liste gewesen, und dahinter habe GVV gestanden.
Löhring winkte ab. Kesch? Der manage sein Geld, das gesamte Aktien-, Immobilien- und Barvermögen, GVV eben, Gesamtvermögensverwaltung, rundum, über zehn Jahre fest. Ohne den laufe gar nichts. Aber an den sei schwer heranzukommen. Kesch arbeite sehr verdeckt und verbitte sich darüber hinaus eigenständige Vermögensdispositionen. Das würde alles eine hochkomplexe Transfergeschichte werden.
Kellermann zielte mit seiner Waffe auf Löhrings Schläfe und gab zu bedenken, dass Löhring von den zwanzig Millionen, die er nach seinem letzten Job abkassiert habe, doch wohl ein Zehntel abzwacken könne. Irgendwo müsse die Kohle doch sein!
Löhring hätte natürlich ahnen können, dass einem Maurerpolier das finanzielle Feingefühl ein wenig abging, auch wenn er offenbar Wirtschaftsnachrichten las, in denen Löhrings Abfindung bundesweit beziffert gewesen war. Dass Kellermann aber in vermeintlicher Kenntnis der finanziellen Ausstattung seines Opfers tatsächlich nur vier Millionen forderte, grenzte nun wirklich an Blödheit. Und der Bonus war ja noch viermal höher gewesen. Langsam, ganz langsam reifte in Löhring ein Plan. Wenn alles nichts weiter als ein Spiel war, so würde er mitspielen. Locker. Und seinen Gegner vom Platz fegen.
Kesch blieb auch nach wiederholten Versuchen telefonisch unerreichbar, und eine Mailbox sprang nicht an. Da müssten sie wohl persönlich bei Kesch vorbeifahren, und zwar bevor die Polizei die Fährte
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