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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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aufnehmen und sich zum Gehöft begeben konnte, bemerkte Löhring schließlich und versuchte, dabei so harmlos wie möglich zu klingen. Das Spiel konnte beginnen.
    Und Kellermann ging tatsächlich darauf ein. Er hatte auch keine andere Wahl. Löhrings Plan schien aufzugehen.
    Doch das, was Löhring auf dem Hof stehen sah, als Kellermann ihn wenig später nach draußen führte, war eine Zumutung zu viel. Dies hier hatte nun rein gar nichts mehr mit Brillenwechsel oder High-Level-Conflict-Performance zu tun.
    Kellermann stellte sich ganz nahe neben Löhring, drehte den Kopf zur Seite und flüsterte ihm leise und warm, vor allem furchtbar langsam ins Ohr: »Fahrzeugtausch. Darf ich bitten, Herr Dr. Löhring?«
    In diesem Moment wusste Löhring nicht, was schlimmer war: die Aussicht, im allerschlimmsten Fall an einem Balken in der Scheune aufgeknöpft zu werden, oder die Peinlichkeit, in einem alten VW Käfer entführt zu werden. Er hatte die letzten Jahre in PS-starken, sonderlackierten Limousinen zugebracht, und es bestand nun wirklich definitiv keine Veranlassung, in einer anderen Wagenklasse zu sterben. Dann lieber in der Scheune. Nie und nimmer würde er in einen dunkelbraunen Käfer steigen. Er blickte zu Kellermann. Falls das hier tatsächlich gefilmt wurde, dann würde seine Reaktion ziemlich tough und straight herüberkommen: »Na los, erschießen Sie mich lieber gleich. So ohne Kohle. Dann ist es wenigstens vorbei.«
    »Nein, tut mir leid. Jetzt geht es erst einmal weiter.«
    Löhring spürte einen kräftigen Griff in seinem Nacken und wurde in den Wagen geschoben wie ein unwilliger Hengst in den Tiertransporter. Kellermann stieg zu und gab Gas, so gut es ging.
    Die bordeauxroten Textilsitze waren klamm und feucht, und es roch nach Stall. Sie saßen nebeneinander wie die Sardinen in der Büchse, die Kniescheiben am Armaturenbrett, und der Käfer schnurrte der nächsten Hauptstraße entgegen. Kellermann rauchte eine Zigarette nach der anderen, und durch die ohnehin schon stark beschlagenen Scheiben war kaum etwas zu erkennen. Als Fluchtwagen war dieses Gefährt eine einzige Witznummer, fand Löhring. Wenn man allerdings weiterdachte, so konnte die Fahrzeugwahl durchaus Teil von Kellermanns Risk Management sein. Schließlich waren die Köpfe der Fahrzeuginsassen faktisch nicht zu erkennen in dem winzigen Teil, und kein halbwegs normaler Mensch würde Löhring so schnell hier vermuten, Entführung hin oder her. Hatte er sich durch die Teilnahme am Brillenwechsel-Programm bereits in einen »anderen Kontext« begeben, wie der Asiate es ihm nahegelegt hatte, so war dieserTeil der Maßnahme schon etwas für die richtig Harten. Sicher, es war nicht Kalkutta. Aber es war eben ein VW Käfer.
    Kellermann hatte ihn an den Kniekehlen und den Handgelenken gefesselt und eine muffige Decke über seinen Schoß gelegt. Wenn Löhring jetzt Mätzchen mache, auffällig werde oder um Hilfe schreie, dann knalle er ihn sofort ab, hatte er glaubhaft versichert. Das merke bei den Fahrgeräuschen kein Mensch. Und geradezu spottend hatte er hinzugefügt, Löhrings Familie zahle offenbar für den Mord, soweit er das bisher herausgehört habe.
    Löhring fand das nur insofern lustig, als seiner Familie momentan die liquiden Mittel für einen Auftragsmord fehlten. Das konnte er schließlich beurteilen. Und er konterte, dass Kellermann ihn so einfach nicht loswürde. Denn so schnell würde keiner zahlen. Von wegen Cashflow.
    Er blickte zu Kellermann hinüber und konnte jedes Härchen und jedes Krümelchen in dessen rechtem Ohr sehen. Dieser Wagen betonte Kellermanns massige, extreme Körperlichkeit auf recht unvorteilhafte Weise, fand er. Nun hatte er tatsächlich seinen eigenen Entführer. Hatte nicht jeder. Löhring versuchte trotzdem, auf Distanz zu gehen, doch er saß bereits mit der rechten Körperhälfte ans Seitenfenster gepresst.
    Kellermann dagegen schien diese körperliche Nähe überhaupt nichts auszumachen, er ließ den Käfer jetzt schnurren und seine Gedanken auch: »Ist was anderes als Ihre Karre, was? Die verkaufen Sie doch, wenn der Aschenbecher voll ist, oder?«
    »Ich fliege oder fahre Taxi.« Löhring schaute sich im Wageninneren um. In einem kleinen Ablagefach an der Beifahrertür lag eine vergilbte Visitenkarte. Er neigte seinen Kopf in der nächsten Kurve unauffällig zur Seite und las: Maurerarbeiten Kellermann. Inkl. Demontage und Transferlogistik. Die Postleitzahl war vierstellig. »Ist der inzwischen abbezahlt?,«

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