Glaenzende Geschaefte
Nachricht: Ich sehe mir gerne mal genauer an, was Sie da planen, und mit etwasGlück könnte es sich vertraglich arrangieren lassen, dass ich mit ins Boot komme, um Ihre Hauptaktionärin positiv zu stimmen. Da werden wir wohl auch menschlich etwas nachhelfen müssen. Zwei Münder reden ja mehr als einer, nicht wahr?«
Normalerweise durchschritt Löhring großzügig den Raum, wenn er Dinge wie diese sagte, aber während er jetzt sprach, stand er wie am Boden festgetackert vor dem Käferglas. Verrückt. Es war tatsächlich ein Tier, ein Skarabäus, und es war unglaublich, wie sehr er glänzte. Jeden anderen Spinner hätte er damit wieder nach Hause geschickt. Aber nicht Winter. Winter war in solchen Fällen bis in die letzte Synapse seines Hirns shareholdervalueorientiert, und er war bei all dem immer noch ein schräger Freigeist, krankhaft nüchtern und arbeitswütig, experimentierfreudig, größenwahnsinnig – ein bewunderter Außenseiter. Seine Ideen passten in kein Muster dieser Welt und waren genau deswegen so genial.
Löhring fuhr fort, noch bevor Winter den Mund aufmachen konnte: »Also, wie gesagt, ich kann Ihnen mein Engagement vage in Aussicht stellen. Ich würde in jedem Fall ganz konkret vorschlagen, dass wir für ein risikoabgesichertes Angebot an die Investoren die Bank mit reinholen. Kennen Sie die Hausbank von Frau von Dangast, Winter?«
Winter hatte zwischenzeitlich die Terrassentür geöffnet und saß nun unter einem Vogelhäuschen, das am Vordach hing, blickte nach oben und sagte: »Weißbauchmeise. Graf-von-Sallewitz-Bank, das wissen Sie doch.« Das alles musste für ihn wie ein Déjà-vu sein.
Nun schien sich Kellermann nach versteckten Kameras umzuschauen. Löhring jedoch triumphierte: Er hatte es geahnt, es war auch eher eine rhetorische Frage gewesen. Alle Kesch-Kunden waren gleichzeitig Sallewitz-Kunden. Und sein Plan stand: »Ich schlage vor, dass wir zuerst einen Banktermin machen und dass die Bank im Anschluss daran Frau von Dangast informiert. Das ist wohl am elegantesten. Was meinen Sie, Winter? Sie werden noch ein goldenes Händchen wie meines für Ihr goldenesKäferchen brauchen. Wir alten Seilschaften müssen uns doch gegenseitig helfen, was? Wir kriegen das schon hin.«
Doch Winter war bereits durch den Garten verschwunden. Wie weggeflogen. Das Glas mit dem Käfer stand immerhin noch auf dem Tisch, und Löhring konnte nicht mehr an sich halten: Er nahm das Behältnis mit dem fein perforierten, gläsernen Deckel und schüttelte es. Der Käfer versuchte Halt zu finden an dem Blatt, das sich mit ihm darin befand, doch Löhring gönnte ihm keine Verschnaufpause und kippte das Glas hin und her, um das Prachtexemplar von allen Seiten in Augenschein zu nehmen. »Und der glänzt nicht nur, wenn die Sonne scheint?«
Jetzt ging die Haustürglocke. Kellermann verließ schweigend das Arbeitszimmer und kam kurz darauf mit zwei sehr ernst blickenden Herren in dünnen Mänteln und mit Kreppsohlenschuhen zurück. Er wedelte mit einem Dokument, das ihm wohl bereits an der Tür überreicht worden war: »Darf ich vorstellen. Das sind die Herren Löhring und Winter.« Er blickte sich suchend nach Winter um und machte ausladende, um Verbindlichkeit bemühte Handbewegungen, so gut es ging mit seinen kurzen, kräftigen Armen im engen Sakko. Und dann, auf die Neuankömmlinge zeigend: »Und das hier sind die Herren von der Staatsanwaltschaft mit einem Durchsuchungsbeschluss.«
LÖHRINGS MISSION
In den folgenden zwei Nächten schlief Löhring schlecht, was weder an zu viel Rotwein am Abend noch an den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen lag. Nein, diese Leute von der Staatsanwaltschaft kamen und gingen wie die Stromableser und gehörten zum Phänomen moderner Neidkultur, fand Löhring. Wer etwas auf sich hielt, im Job mit harten Bandagen kämpfte und Risiken einging bis hin zur letzten lächerlichen Magnum-Rotweinflasche auf Firmenkosten, der musste eben auch mit gelegentlichen Durchsuchungen leben und das möglichst relaxed sehen. Es gehörte zum Spiel und hatte durchaus einen gewissen Show-Aspekt, wenn personalstarke Sonderermittlungsgruppen ins Büro oder ins Haus stürmten und sich dafür die reinsten Crime-Soap-Namen gaben. Als würde deswegen irgendetwas anders laufen, als es immer gelaufen war. Die diversen Schadenersatzklagen standen sowieso auf tönernen Füßen: Misswirtschaft, Vermögensbetrug, Veruntreuung, Insolvenzverschleppung – alles plakative Worthülsen für Leute, die nichts
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