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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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ich meine, was kann ich, Kesch, Edgar, Edgar Kesch, denn für Sie tun? Ein NKFI vielleicht?«
    Winter horchte auf: »Was meinen Sie?«
    Kellermann ließ sich genüsslich ins Leder fallen: »Na, ein nettes kleines Fonds-Investment! Junge, das kennen Sie doch!« Er beugte sich zu Winter hinüber, dass die Lederpolsterung des Sessels fast den Fußboden erreichte. »Geht’s Ihnen eigentlich gut? Sie sehen so blass aus und ein bisschen faltig um die Augen.«
    Löhring wurde flau hinter der Tür. Kellermann hatte mehr von Kesch, als er selbst wohl ahnte, und die Art, wie er sich mühte, ihm zu gleichen, hatte fast schon etwas Anrührendes: Er schien umso mehr er selbst zu sein, je mehr er so tat, als wäre er Kesch. Trotz seines Vorstrafenregisters wirkte er im Kern genauso fürsorglich, warm und vertrauenerweckend, wie der echte Kesch sich geben konnte, mit einem Touch Stoffbär aus Kindertagen – der optimale Gegenpol zur abgehobenen Business-Welt.
    Für seine Kunden war Kesch weiser Berater in allen Lebenslagen gewesen, dem man seine großen und kleinen Sorgen anvertrauen konnte – von besseren Startzeiten für die Golfrunde über verstopfte Rohrleitungen bis hin zur Vermittlung von Jagdpachten oder zum Auto-Leasing für die Enkel. Kurzum, er holte die Katze vom Dach. Gesamtlebensverwaltung eben. Das Rundum-sorglos-Paket, für Geld selbstverständlich. Doch all dies dürfte in Winters Fall fast schon wieder kontraproduktivsein, befürchtete Löhring. Man konnte ihn foltern mit Fürsorglichkeit. Und er hatte mit Sicherheit nie einen Stoffbären besessen.
    Winter trat an Keschs Bücherregal, legte den Kopf schräg und sagte: »Sie haben nie eines dieser Bücher gelesen. Woher kennen Sie mich?«
    Es war eine dieser Fragen, die so harmlos daherkamen und zugleich das ganze Spiel gefährden konnten. Kellermann begann etwas heftiger zu atmen, Löhring konnte es sogar hinter der Tür hören.
    »Ha, Winter, wer kennt Sie nicht, frage ich Sie!«
    Kellermann war vielleicht vorbestraft, aber doof war er nicht.
    »Ich bin keiner Ihrer Kunden«, sagte Winter.
    Scheißspiel. Kellermann schien fieberhaft zu überlegen, nach einem Wort zu suchen, und sagte dann: »Stichwort St. Ägidius, Winter. Na, erinnern Sie sich?«
    Man konnte förmlich die Eiswürfel in Winters Adern klimpern hören. Für einen Moment kam er tatsächlich aus dem Konzept und begann vor dem Regal langsam von einem Bein auf das andere zu schwanken. Kellermann starrte ihn an, und Löhring warf sich hinter der Tür eine Ladung Methylphenidat nach.
    Doch Winter schien sich nicht mit St. Ägidius aufhalten zu wollen, aus ihm würde nichts herausbrechen – was für ein Segen, vor allem für Löhring. Er sagte stattdessen: »Sie müssen mit ihr reden. Und lassen Sie die Finger von ihren Immobilien.«
    Es blieb schwierig, und Löhring wäre am liebsten jetzt schon dazwischengegangen, aber er hatte ebenso wenig eine Ahnung, worauf Winter hinauswollte.
    Kellermann musste sich vorkommen wie beim Pokerspiel, als er fragte: »Warum?«
    Winter setzte sich auf einen Stuhl an der Tür und sagte: »Sie sind ihr Vermögensverwalter. Sie kennen sie seit Jahren. Ich kann nicht mit ihr reden, ich kann sie nicht überzeugen. Sie ist mir zu emotional.«
    Kellermann schien keinen blassen Schimmer zu haben, wovon dieser Mann sprach. Andererseits hatte er sowieso vom ganzen Business keine Ahnung, und vielleicht blieb er genau deswegen erstaunlich locker. Er nahm ein Streichholz, führte es in den rechten Gehörgang und bohrte ein wenig nach. »Jaja, verstehe einer die Frauen. Für mich kein Problem. Mach ich, mach ich, Winter. Worüber genau soll ich denn mit ihr reden? Nur mal so aus Interesse gefragt.«
    Winter schwieg und nahm jetzt etwas aus seiner Sakko-Innentasche. Es sah aus wie ein Marmeladenglas, und um sicherzugehen, öffnete Löhring den Türspalt etwas weiter. Doch Winter war schnell gewesen, hatte das Gefäß schon auf dem Tisch abgestellt, genau im toten Winkel. Ein Blick in Kellermanns ungläubige Augen reichte Löhring allerdings, um zu erkennen, dass die Lage, gelinde gesagt, unüberschaubar war.
    Und dann begann Winter: »Seit Ausbruch der Euro-Krise ist überdeutlich geworden, dass die klassischen Fluchtreaktionen in risikolose Anlagen nicht mehr funktionieren. Gleichzeitig bereiten die historisch niedrigen Zinsen institutionellen Investoren größte Schwierigkeiten, angemessene Renditen zu erzielen. Das wird Sie, Kesch, auch irgendwann einholen. Außer bei langen

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