Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
Vom Netzwerk:
stellte.
    Löhring begrüßte sie also und beugte sich zu ihr hinüber: »Frau Schlick, ich gratuliere Ihnen zu Ihrem MBO und wünsche Ihnen viel Glück. Das wird ja erst mal ein bisschen Gestrampel werden, oder?«
    »Nun, wenn Sie meinen Finanzierungsplan meinen, so kann ich den leider nicht weiter nachbessern«, sagte sie. Es war diese knappe, sachliche Art, dieses Schnörkellose, fast schon Schnippische, das ihm seltsam vertraut vorkam. Löhrings Mund sprach weiter, während seine Augen ihre Augen, ihren Mund, ihre Gestik und jede ihrer Bewegungen erfassten. Und dann begann er sich dunkel zu erinnern, widerstrebend zuerst, als weigere sich etwas in ihm, eins und eins zusammenzuzählen. Doch, sie konnte es tatsächlich sein. Sicher, sie war etwas in die Jahre gekommen, wie es Frauen ihres Alters manchmal schubartig taten. Sie hatte ihre Haare abgeschnitten, war schmaler geworden.
    »Was machen Sie mit der Erdbeerfotografie von Mapplethorpe unten in der Halle?«, wollte sie wissen.
    Löhring war in Gedanken gewesen, erschrak fast und wunderte sich über diesen Themenwechsel, wo man doch eben erst bei den Eckpunkten des Deals angelangt war. »Nun, Frau Schlick, der Nachteil von virtuellen Unternehmen wie jenem, das Sie planen, ist wohl die Tatsache, dass Sie keine Wände zum Bilderaufhängen haben, gell?«
    Sie lächelte, legte den Kopf etwas schräg, musterte ihn dabei,so wie er sie gemustert hatte, und sagte schließlich: »Nun, ich dachte nur, dass das in Zukunft vielleicht der richtige Platz für den Flechtkorb von Jeff Koons aus dem Besprechungszimmer wäre. ›The Basket‹ – den kennen Sie doch, nicht?«
    In diesem Moment wusste Löhring es mit absoluter Sicherheit. Sie war es ohne Zweifel, stand vor ihm wie eine apokalyptische Reiterin aus seinem zweitschlimmsten Traum: diese Sekretärin aus St. Ägidius, die so bescheuert und gleichzeitig so abgebrüht gewesen war wie sie alle. Er hätte sich denken können, dass sie bei Winter geblieben war. Löhring hyperventilierte, versuchte jedoch, sich nichts anmerken zu lassen. Und dann auch noch dieser Korb. Wieso existierte der Korb noch, den er geflochten hatte?
    »Sie bleiben, wo Sie sind. Ich bin sofort wieder da«, sagte Löhring und stürzte davon, raus, erst einmal nur raus, den Flur hinunter, um die Ecke, die Treppe hinauf. Er riss die Tür mit dem Schild »Konfi« auf und stand da, die Klinke noch in der Hand. Es war fast derselbe Raum wie damals. Und auf der Fensterbank stand sein Korb aus der Gestaltungstherapie, wie ein Kunstwerk unter Plexiglas. »The Basket«. Löhring atmete aus, hielt die Luft an und knallte die Tür wieder hinter sich zu – als würde der Wahnsinn noch infektiös im Raum wabern.
    Dezentrieren, jetzt bloß dezentrieren, tief durchatmen. Mit Winter und den mit ihm verbundenen Erinnerungen an St. Ägidius war es kein Problem gewesen. Winter war krank, war ein ganz anderes Kaliber. Er war gegenwartsvernarrt und somit sehr volatil, hatte nur den Deal im Kopf, den momentanen Kick sozusagen. Diese Sekretärin jedoch war nachtragend wie so viele ihrer Art, würde wahrscheinlich nur mit der Schulter zucken, wenn Löhring sie für nicht zurechnungsfähig erklären ließ. Es würde auch in keiner Zeitung stehen, es würde ihr also einerlei sein. Sie hatte nichts zu verlieren. Nun gut, dachte Löhring, während er langsam die Treppe wieder hinunterstieg, dahinter steckte vermutlich ein erbärmlich kleiner Deal. Wie damals. Und dieses Mal würde er einfach mitspielen. Die Vergangenheitwar Vergangenheit und eröffnete keinerlei Spielraum, in dieser Hinsicht hatte Winter mit seiner Haltung recht. Löhring machte einen Abstecher zum Herrenwaschraum und schlug sich eine Hand voll Wasser ins Gesicht.
    »Wie viel wollen Sie?«, fragte er, als er das Büro wieder betrat, in dem Schlick noch immer auf ihn wartete.
    »Wie meinen Sie das? Zusätzlich?« Sie schien verwirrt.
    Es konnte doch nicht sein, dass sie ausgerechnet in dieser Situation nicht so schnell im Kopf war wie er selbst, obwohl sie doch offensichtlich die Zügel in der Hand hatte, dachte Löhring und brüllte ihr entgegen: »Mensch, Frau Schlick, ich weiß doch, was das hier soll! Wie viel Kohle wollen Sie, damit Sie die Klappe halten?«
    Schlick reagierte gekränkt. »Ich bin nicht so wie Sie, Herr Dr. Löhring. Das Einzige, was uns eint, ist der Blick nach vorne. Wir sollten die Vergangenheit ruhen lassen. Ich möchte nur die Erdbeersparte, nicht mehr und nicht weniger.«
    Mein Gott,

Weitere Kostenlose Bücher