Glaenzende Geschaefte
Hobbys, Miranda?«
»Hobbys?«
»Ja, herrje, Ihre Hobbys. Oder haben Sie keine?«
»Sie müssen mich nicht erst nach meinen Hobbys fragen, wenn Sie etwas von mir möchten.«
»Hobbys, verdammt!«
»Ich fotografiere gerne Wolken und Wellen.«
»Wie bitte?«
»Wolken und Wellen.«
»Nun, meinetwegen auch das. Dann machen Sie das, genaudas, nicht mehr und nicht weniger.« Löhring knallte die Tür hinter sich zu, als er den Raum verließ.
Miranda versuchte, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren und das Denken abzustellen, aber es ging nicht.
Es klingelte auf der anderen Leitung, und in diesem Moment war sie fast froh über die Ablenkung.
Frau Löhring war am Apparat. Sie klang aufgeregt, aber das musste nichts bedeuten: »Guten Tag, Frau Beck. Es ist etwas passiert.«
Miranda rollte die Augen. Überall auf der Welt passierte zu jeder Sekunde etwas. Man nannte es Leben. Sie riss sich zusammen und fragte: »Oh, tatsächlich? Was denn?«
»Mr Stringer ist gestohlen worden.«
»Ihr Hund? Sind Sie sicher? Vielleicht ist er einfach nur einer Katze oder einer Maus hinterhergejagt.«
»So etwas hat er nie gemacht. Il faut le dire.«
»Meinen Sie, man hat ihn entführt?«
»Nein, ich denke nicht.« Sie zögerte, als müsse sie überlegen. »Er war tot.«
Miranda blickte auf das Display. Es war tatsächlich Löhrings Privatnummer.
Frau Löhring fuhr indes fort: »Ich muss Ihnen das erklären. Ich war einkaufen mit ihm. Mr Stringer ist ja nicht mehr der Jüngste, wie Sie wissen. Und, nun ja, da ist er verschieden, ganz plötzlich. Ich habe es erst gemerkt, als die Leine so spannte.«
»Das tut mir leid, Frau Löhring. Je suis désolée. Das muss schrecklich für Sie gewesen sein.«
»Je peux vous dire.«
»Aber immerhin, dann ist er doch nicht gestohlen worden, sondern lediglich tot?«
»Oh, non. Beides.«
»Wie?«
»Es war direkt vorm Prada-Geschäft. Ich bin dann da rein, habe denen gesagt, dass mir mein Hund vorm Laden, wie sagtman, verreckt ist, und habe um eine große, stabile Tüte und etwas Papier zum Einschlagen gebeten. Ich musste ihn ja irgendwie zum Auto transportieren.«
»Oh, das war eine gute Idee. Und dann?« Miranda versuchte, teilnahmsvoll zu klingen.
»Nun, als ich mein Auto aufschließen wollte und für einen kurzen Moment die Prada-Tüte neben mir abstellte, kam jemand an mir vorbeigelaufen und hat sie sich gegriffen. Gestohlen, verstehen Sie? Un vrai malheur. Können Sie sich vielleicht erkundigen, ob jemand sie irgendwo gefunden hat?«
Es war nicht immer einfach, Projektarbeiten als solche zu erkennen und anzunehmen, dachte Miranda, als sie die Nummern der örtlichen Polizeidienststellen heraussuchte.
Der Bildschirmschoner bot kaum Zerstreuung: Ein riesiger Käfer kroch von links unten nach rechts oben, mit einem Schildchen am Beinchen: »Wer neue Wege gehen will, muss ohne Wegweiser auskommen.«
Das Telefon klingelte wieder. Dieses Mal war es Winter. Miranda solle sofort in die Forschung kommen. Da gehe etwas vor, das schriftlich festgehalten werden müsse. Er klang zwischen den Zeilen leicht beunruhigt, was Anlass zu der Vermutung gab, dass gerade die absolute Katastrophe passiert sein musste, die auch den verstocktesten Asperger-Patienten in Wallung zu bringen vermochte.
Miranda rief Mollow an, stellte ihn zu Löhring durch, aktivierte den Anrufbeantworter und machte sich auf den Weg, ohne noch einmal den Kopf durch Löhrings Tür zu stecken. Gold Bug Tours und Mr Stringer in der Tüte würden warten müssen.
Sie rannte über die Flure, vorbei an der neuen Skulptur mit den erstarrten, in Plexiglas konservierten Käfern im ersten Stock, vorbei an dem neuen Gemälde im Erdgeschoss, das ein »Brain Painter« mit Elektrodenhaube einzig mit der Kraft seiner Gedanken gemalt hatte, dann weiter über den Innenhof und schließlich hinein in den weit verzweigten Forschungstrakt. Schon von weitem sah sie einen Pulk Leute kopfschüttelnd undmit verschränkten Armen an der Stelle stehen, an der normalerweise der Dung für die Käfer aufbereitet wurde.
Ein hochgewachsener junger Mann mit schmutzigen Fingernägeln schien Rede und Antwort zu stehen: »Selbst unter dem Mikroskop sehen die Viecher alle gleich aus, aber wir nehmen an, dass es ein Caenorhabditis elegans ist. Unser Mist ist sein Nährboden. Er ernährt sich auch von größeren Stammesgenossen, höhlt sie sozusagen von innen aus, nachdem sie ihn verschluckt haben.«
»Der gemeine Fadenwurm?« Winter begann wieder von einem Bein
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