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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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untoter Bräute aus, das sie waren. Nun erkannte ich auch bei genauerem Hinsehen eingetrocknete Blutfäden in diversen Nuancen an verschiedenen Stellen ihrer Körper. Atemlos sah ich, dass sie ausnahmslos alle nach der professionellen Thanatopraxie eines Leichenbestatters präpariert worden waren. Einbalsamiert, jedoch auf nicht völlig makellose Art und Weise. Und verbessert, alle Schönheitsfehler ausradiert, um dem morbiden Zauber seine Entfaltung zu ermöglichen.
    Bei einem der Mädchen war der Lord wohl mit den Füßen nicht völlig zufrieden gewesen, denn ihre Unterschenkel endeten auf halber Höhe und man hatte ihr goldene, wahnwitzig kleine Stiefelchen an den Stümpfen befestigt, deren Absätze so hoch waren, dass sie lediglich auf Zehenspitzen hätte tänzeln können, hätte sie es noch vermocht. Ich entdeckte zu kleinen Spitzen genähte Ohren an einer der vorderen Bräute, die ihr etwas Elfenhaftes zu verleihen versuchten. Und was stimmte nicht mit dem Hals der Dame hinten links?
    Ein grässlicher Schrei gellte durch die Kammer und ich erkannte nach einigen Lidschlägen, dass er aus meiner Kehle gekommen war. Schwärze stieg in mir auf, wabernde, grollende Schwärze. Sie füllte mich gänzlich aus und ich erbrach sie gallertartig auf die getrockneten Blumen. Verzweifelt drehte ich mich um und sah Kieran, der beinahe aus der Welt fiel und mit totenbleichem Gesicht dem Lord seine lange Pistole auf die Brust setzte.
    »Siebenundzwanzig«, presste ich mit vor dem Gesicht gespreizten Fingern hervor. »Hier sitzen siebenundzwanzig tote Frauen! Wieso haben Sie ihnen das angetan?!«
    Diese Frage erschien mir deutlich zu harmlos und nicht annähernd angemessen an dem, was ich eigentlich zu ihm sagen wollte … ihn fragen wollte, während ich seinen Sadismus aus ihm herausprügelte. Aber dafür gab es keine Worte auf dieser Welt! Sandford straffte die Schultern wie vor einem Boxkampf. Von dem leicht untersetzten, taumelnden Lord, der noch nicht einmal elegant in einem Sessel Platz nehmen konnte, ohne widerwärtige Geräusche zu hinterlassen, war nichts mehr übrig. Es schien, als hätte sich sein gedrungener Körper entfaltet und zu seiner wahren Größe aufgeklappt, wie eine dieser kitschigen Leporellokarten, die man der Familie von der Seaside nach Hause schickt. Seine Augen glühten unter den buschigen Brauen, an denen wie winzige Diamanten zu Wasser gewordener Nebel glitzerte. Atem – ein Widersinn angesichts dieser Totenkammer.
    Nun verstand ich die verhexte Monstrosität, die man ihm nachsagte, und die sogar meine Herrin nicht ignorierte; die man sich in der alten Spukgeschichte erzählte, die keine war. Ich begriff erneut, warum Lady Amaranth nach ihm geschickt hatte. Und ich fürchtete mich nun, angesichts all der Gemeinheiten, die ich ihm an den Kopf geworfen hatte. Sie hatte mich ermahnt, auch sein Valet zu sein, ihm mit Respekt zu begegnen, und ich hatte es in den Wind geschlagen. Daher musste sie ihre eigene Macht nutzen, um ihn im Zaum zu halten. Ich bezweifle bis heute, dass sie um sein fragwürdiges Hobby wusste. Ich weigere mich zumindest! Wenn es eine Metamorphose des Bösen gab, so wohnten wir ihr gerade an Leib und Seele bei.
    Der Lord bleckte die Zähne, die in dem bleichen Licht winzig und spitz wirkten. Mit einer ungewohnten und harten Arroganz verschränkte er die Arme vor der Brust und sah mir direkt in die Augen.
    »Möchten Sie lieber achtundzwanzig, damit es in Ihre kleine Märchenwelt der Schönheiten passt? Ist die Achtundzwanzig keine magische Zahl? Nein? Ich finde aber, achtundzwanzig ist doch eine schöne Zahl, nicht wahr?«
    Er trat ein wenig zur Seite und gab den Blick auf ein Bündel auf dem Boden frei, worauf Kieran schon die ganze Zeit panisch geschielt hatte. Zuerst sah ich die Füße, denen ein Lackschuh fehlte. Kleine schmale Füßchen in schwarz und weiß gestreiften Strümpfen, die über dem Knie mit Strapsen befestigt waren. Den dünnen Saum des Spitzenunterrocks. Den glänzenden schwarzen Lack, aus dem das Kleid geschneidert war. Extra für sie. Im Auftrag meiner Herrin.
    Er hielt seinen Blick fest auf mein Gesicht gerichtet, beobachtete jede meiner Regungen, als er mit fester Stimme sagte: »An ihr muss ich nichts verändern. Sie gefällt mir genauso, wie ich sie gefunden habe. Eine extravagante Schönheit besitzt sie, findest du nicht auch, Frederick? Irgendwie niedlich.« Mit dem Fuß schob er ihre Beine zurück in den ledernen Reisesack, auf welchem wir unsere Füße

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