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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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meine Rache selbst in die Hand zu nehmen, eilte ich nach nebenan und fand dort in einem Hängeschrank, wie ich gehofft hatte, einige Messerchen zwischen kleinen Beilen, Zangen, Nadeln; und dicke beigefarbene Zwirne und noch einiges mehr für den passenden Spielplatz eines Sadisten.
    Ganz im Bann meines Traumes nahm ich zwei der dünnen Klingen an mich. Grob drehte ich Lord Sandy auf den Rücken. Meine Wange und mein Kiefer pochten nun schmerzhaft, als das Adrenalin ein wenig abebbte und ich mich langsam entspannte, da ich nun bewaffnet war.
    Die Zeit war gekommen! Ich schlug ihm ein paar Mal so hart ich konnte ins Gesicht, bis er blinzelnd die Augen aufschlug, und wartete, bis sein Blick wieder klar wurde. Dann setzte ich mich rittlings auf seine breite Brust. Mit den Knien heftete ich seine Arme auf den Boden. Eines der Messer legte ich an eine Seite seines Schädels. Die Koteletten wirkten aus der Nähe ekelerregend fettig. Sein Bart war zerzaust und ein Schatten lag auf seinen Wangen. Die silberne Kreole hing nur noch halb in dem strohigen Barthaar. Ich empfand noch tiefere Abscheu für ihn, als Angst und Wut; mehr als je in unserer gesamten gemeinsamen Zeit. Der Blick eines Psychopathen bohrte sich in mich, starr und seelenlos, die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen. Die Lady hatte uns alle einem Schlachter überlassen, wissentlich oder nicht, es tangierte mich nicht mehr, denn zuerst wollte ich das unbändige Hassgefühl, das mich wieder in seinen Zangengriff nahm, ungezügelt freilassen. Die peinigende Trauer um Giniver trat zum ersten und zum letzten Mal in meinem Leben hinter diesem Hass zurück.
    »Ich möchte wissen, warum!« Ich drückte das Messer gegen die aderige Kopfhaut. Obwohl ich eine spöttische Antwort erwartet hätte, oder die eines Irren – diese schockierte mich noch mehr, als es die anderen Optionen vermocht hätten: »Sie waren einfach da«, antwortete er bereitwillig. »Jede Einzelne von ihnen wollte meine Frau werden. Ich habe jeder eine faire Chance gelassen, sich gegen mich zu entscheiden, doch sie wollten nicht hören.«
    »Unsinn!«, herrschte ich ihn an. »Warum, beim Bart der Nymphe, sollten sie eine Hochzeit mit dir wollen? Hä! Einem älteren Herrn ohne Anstand und Prunk, getrieben von ewiger Rastlosigkeit!«
    Er hob beschwichtigend die Hände und fuhr vorsichtig fort: »Oh, ich habe Anstand. Und Prunk sogar schier endlos. Und, seien wir ehrlich, die Damen wollen nicht immer beachtet werden. Sie wollen ihren niedlichen, sinnbefreiten Tagesabläufen folgen. Sie sind so einfach zu verängstigen, Frederick. Eine Besonderheit reicht schon aus, um sie in ihren Schauermärchen nach einer Erklärung suchen zu lassen. Ich war immer schon ein Reisender. Ich war immer schon reich, wenn auch kein Edelmann oder gar ein Ritter. Sie haben die Schätze gesehen, die ich aus der Welt mitbrachte, die Goldstücke, die ich ihnen als Bezahlung anbot und die den Wert ihrer Blechmünzen so mühelos überstiegen.«
    »Und?«, fauchte ich und presste die Klinge stärker gegen seinen Schädel. »Willst du andeuten, die Mädchen haben sich kaufen lassen? Solche schönen Mädchen, die doch ganz andere Partien hätten eingehen können, als die Einsamkeit mit einem alternden Räuber?«
    Er hob abwehrend die Hände, ließ sie jedoch sogleich wieder sinken, als sich Kieran aufraffte und ich den Druck erneut verstärkte.
    »Nie habe ich gestohlen! Alles ist bezahlt und auf ehrliche Art erworben!«, verteidigte er sich und sein weinerlicher Tonfall machte mich nur noch wütender. Ich musste an mich halten, um ihn nicht mit der Klinge wahllos zu schneiden.
    »Wie bist du dann zu den Mädchen gekommen?« Ich ignorierte Kierans leichtes Kopfschütteln. Eigentlich war mir seine Geschichte auch egal. Doch ich wollte endlich ein wenig Licht in diesen Lügensumpf bringen.
    »Ehrlich, welche Option hat schon die Tochter eines Buchhändlers oder die eines Gastwirtes? Aber gut, wenn du meine Geschichte hören willst. Vor einiger Zeit war ein Mädchen entlaufen, das ich durch Zufall in einem Graben völlig zerschunden fand«, erklärte der Lord. »Sie war noch am Leben und ich brachte sie zu ihrer Familie zurück. Aber du weißt ja, wie Frauen sind. Sie verlieben sich in die abstraktesten Visionen eines Helden, die sie auf uns Männer projizieren. Und sie verliebte sich eben in die Figur ihres Retters. Vor allem sehe ich für Frauen doch recht stattlich aus.«
    Ich zischte wütend. Hasserfüllt drückte ich ihm das Messer

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