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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Papierfabrikation Anspruch hat oder nicht. Die Herren sind keine Papierhändler. – Wenn Sie die Nacht bei mir zu verbringen gedenken – unterm ›freien Himmel‹,« sagte der Herbergsvater, indem er sich an die beiden Reisenden wandte, »so möchte ich bitten, sich einzutragen; hier ist das Buch. Wir haben einen Brigadier, der nichts zu tun hat und seine Zeit damit hinbringt, uns zu belästigen ...« »Teufel! Teufel! Ich hielt die Séchards für sehr reich,« sagte Corentin, während Derville seinen Namen und seinen Stand als Anwalt beim erstinstanzlichen Gericht der Seine einschrieb. »Manche«, erwiderte der Wirt, »geben sie für Millionäre aus; aber wer die Zungen am Schwätzen hindern wollte, könnte auch den Fluß am Fließen hindern. Der Vater Séchard hat für zweihunderttausend Franken liegende Güter hinterlassen, wie man so sagt, und das ist schon recht hübsch für einen Mann, der als Arbeiter angefangen hat. Nun, und er hatte vielleicht noch einmal soviel Ersparnisse ... denn er hat schließlich zehn- bis zwölftausend Franken aus seinem Besitz gezogen. Nun scheint mir, er ist dumm genug gewesen, sein Geld zehn Jahre lang nicht anzulegen, und da stimmts! Aber rechnen Sie dreihunderttausend Franken, wenn er Wucher getrieben hat, wie man argwöhnt, das ist die ganze Geschichte. Fünfhunderttausend ist von einer Million recht weit entfernt. Ich wünsche mir nur den Unterschied zum Vermögen, da wäre ich nicht mehr unter ›freiem Himmel‹.« »Wie?« sagte Corentin, »Herr David Séchard und seine Frau haben nicht zwei oder drei Millionen Vermögen? ...« »Aber«, rief die Frau des Wirts, »so viel sollen die Herren Cointet besitzen, die ihm seine Erfindung weggenommen haben; er hat von ihnen nicht mehr als zwanzigtausend Franken bekommen ... Woher sollen denn die ehrlichen Leute Millionen genommen haben? Sie waren recht in Not, solange ihr Vater noch lebte. Wären nicht Kolb, ihr Verwalter, und Frau Kolb gewesen, die ihnen ebenso ergeben ist wie ihr Mann, so wäre es ihnen schwer geworden, auszukommen. Was hatten sie denn von der Verberie? ... Tausend Taler Rente! ...«
    Corentin nahm Derville beiseite und sagte zu ihm: » In vino veritas! Die Wahrheit findet man in der Kneipe. Ich meinesteils sehe eine Herberge als das eigentliche Zivilstandsregister einer Gegend an; der Notar weiß nicht besser über alles Bescheid, was in einer kleinen Stadt vorgeht, als der Wirt ... Sehen Sie! Man hält uns für Bekanntschaften der Cointet, Kolb und so weiter. Ein Herbergswirt ist das lebendige Repertoire aller Abenteuer, er leistet, ohne es zu wissen, Polizeidienste. Eine Regierung braucht höchstens zweihundert Spione zu unterhalten, denn in einem Lande wie Frankreich gibt es zehn Millionen ehrlicher Spitzel. Aber wir sind nicht verpflichtet, uns auf diesen Bericht zu verlassen, obwohl man in dieser kleinen Stadt schon etwas von den zwölfhunderttausend Franken wissen müßte, wenn sie verschwunden wären, um die Ländereien von Rubempré zu bezahlen ... Wir werden nicht lange zu bleiben brauchen ...« »Ich hoffe es,« sagte Derville. »Der Grund ist dieser,« fuhr Corentin fort. »Ich habe das natürlichste Mittel gefunden, um die Wahrheit aus dem Munde der Gatten Séchard zu hören. Ich rechne damit, daß Sie die kleine List, deren ich mich bedienen werde, um Ihnen einen klaren und zuverlässigen Bericht über ihr Vermögen zu verschaffen, mit Ihrem Ansehen als Anwalt unterstützen werden. – Nach dem Essen werden wir aufbrechen und zu Herrn Séchard fahren,« sagte Corentin zu der Frau des Wirts; »Sie werden dafür sorgen, daß mir Betten bekommen, wir wollen jeder ein eigenes Zimmer. Unterm ›freien Himmel‹ muß doch Platz vorhanden sein.« »Oh,« sagte die Frau, »das Schild haben wir uns erdacht.« »Oh, den Kalauer gibt es in allen Provinzen,« sagte Corentin, »Sie haben da kein Monopol,« »Es ist aufgetragen, meine Herren,« sagte der Wirt.
    »Und woher, zum Teufel, soll dieser junge Mann sein Geld genommen haben? ... Hätte der Anonymus recht, und wäre es das Geld einer schönen Dirne?« fragte Derville Corentin, als sie sich zu Tische setzten. »Ah, das wäre der Gegenstand einer weiteren Untersuchung,« sagte Corentin. »Lucien von Rubempré lebt, wie mir der Herr Herzog von Chaulieu sagte, mit einer getauften Jüdin, die sich als eine Holländerin ausgibt und Esther van Bogseck heißt.« »Welch merkwürdiges Zusammentreffen!« sagte der Anwalt, »ich suche die Erbin eines Holländers

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