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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ist verhaftet; Ihr Gatte hat die Untersuchung. Ich bürge für die Unschuld des armen Kindes; er muß innerhalb von vierundzwanzig Stunden frei sein. Das ist nicht alles. Es will jemand Lucien heimlich in seinem Gefängnis sehen; Ihr Gatte kann, wenn er will, zugegen sein, wenn er sich nicht bemerklich macht... Ich bin denen, die mir dienen, treu, das wissen Sie. Der König erhofft viel vom Mut seiner Richter, denn er wird sich bald in ernsten Verhältnissen befinden; ich werde Ihren Gatten ins Licht rücken; ich werde ihn als einen Mann empfehlen, der dem König ergeben bleibt, und müßte er seinen Kopf aufs Spiel setzen. Unser Camusot wird zunächst königlicher Rat, dann Erster Präsident, einerlei wo ... Adieu ... man erwartet mich, Sie entschuldigen mich, nicht wahr? Sie verpflichten nicht nur den Generalstaatsanwalt, der sich in dieser Angelegenheit nicht aussprechen kann; Sie retten auch einer Frau, die dahin siecht, das Leben, der Frau von Sérizy. Also wird es Ihnen nicht an Stützen fehlen... Also Sie sehen, wie sehr ich Ihnen vertraue, ich brauche Ihnen nicht erst zu empfehlen, daß Sie ... Sie wissen ja!« Sie legte einen Finger auf die Lippen und verschwand.
    ›Und ich habe ihr nicht einmal sagen können, daß die Marquise d'Espard Lucien auf dem Schafott sehen will!...‹ dachte die Frau des Richters, als sie zu ihrem Wagen zurückkehrte.
    Sie kam in einer solchen Angst nach Hause, daß der Richter, als er sie erblickte, fragte: »Amelie, was hast du?« »Wir stehen zwischen zwei Feuern!«
    Sie berichtete ihrem Gatten von ihrer Unterredung mit der Herzogin, doch flüsterte sie ihm alles ins Ohr, so sehr fürchtete sie, das Zimmermädchen möchte an der Tür lauschen.
    »Welche von beiden ist die Mächtigere?« sagte sie zum Schluß. »Die Marquise hat dich bei ihrem dummen Antrag auf Entmündigung ihres Gatten fast kompromittiert, während wir der Herzogin alles verdanken. Die eine hat mir unbestimmte Versprechungen gemacht, während die andere sagte: Sie werden erst königlicher Rat, dann Erster Präsident!... Gott bewahre mich davor, daß ich dir einen Rat geben sollte! Ich werde mich nicht in die Angelegenheiten des Palastes mischen; aber ich muß dir getreulich berichten, was man am Hofe sagt und was sich dort vorbereitet...« »Du weißt nicht, Amelie, was mir der Polizeipräfekt heute morgen geschickt hat, und noch dazu durch wen! Durch einen der wichtigsten Männer der politischen Polizei des Königreichs, durch den Bibi-Lupin der Politik, der mir sagte, daß der Staat geheime Interessen an diesem Prozeß habe. Laß uns essen und in die Varietés gehen... Wir wollen heute abend in der Stille des Arbeitszimmers über all das reden, denn ich werde deine Klugheit brauchen; die des Richters genügt vielleicht nicht...«
    Neun Zehntel der Richter werden leugnen, daß in solchen Lagen die Frau Einfluß auf den Gatten haben kann; aber wenn es eine der größten sozialen Ausnahmen ist, so kann man doch beobachten, daß sie vorkommt, wenn auch nur gelegentlich. Der Richter gleicht darin dem Priester, vor allem in Paris, wo man die Elite des Richterstandes findet; er redet selten von den Angelegenheiten des Palastes, wenn es sich nicht um bereits erledigte Dinge handelt. Die Frauen tun nicht nur so, als wüßten sie niemals etwas, sie haben auch alle genug Schicklichkeitsgefühl, um zu erraten, daß sie ihrem Gatten schaden würden, wenn sie es sich merken ließen, daß sie über irgendein Geheimnis unterrichtet sind. Nichtsdestoweniger haben bei den großen Gelegenheiten, wo es sich je nach dieser oder jener Entscheidung um ihre Beförderung handelt, viele Frauen wie Amelie bei der Überlegung des Richters mitgeholfen. Schließlich hängen diese Ausnahmen, die um so leichter zu leugnen sind, als sie immer unbekannt bleiben, völlig von der Art ab, wie der Kampf der zwei Charaktere im Schoße des Haushalts verlaufen ist. Nun beherrschte Frau Camusot ihren Gatten vollständig. Als alles im Hause schlief, setzten der Richter und seine Frau sich an den Schreibtisch, auf dem der Richter die Akten des Prozesses bereits geordnet hatte.
    »Das sind die Notizen, die der Polizeipräfekt mir hat zustellen lassen; übrigens auf meine Bitte,« sagte Camusot.
    »Der Abbé Carlos Herrera
     
    Dieses Individuum ist sicherlich ein gewisser Jakob Collin, genannt Betrüg-den-Tod, dessen letzte Verhaftung bis ins Jahr 1819 zurückgeht; sie wurde vorgenommen im Hause einer Frau Vauquer, die in der Rue Neuve

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