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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Esgrignon erhob, geleistet hatte [Fußnote: (siehe ›Das Antiquitätenkabinett‹ [dritter Band dieser Ausgabe])] , war er aus einem einfachen Provinzrichter zum Präsidenten geworden und aus einem Präsidenten zum Untersuchungsrichter in Paris. Während der achtzehn Monate, die er jetzt im wichtigsten Gericht des Königreichs saß, hatte er sich schon auf die Empfehlung der Herzogin von Maufrigneuse hin in den Gesichtskreis einer nicht weniger mächtigen Dame, der Marquise d'Espard, vorwagen können; doch ohne Erfolg. Lucien konnte, wie wir zu Beginn dieser Szene gesagt haben, um sich an Frau d'Espard, die ihren Gatten entmündigen lassen wollte, zu rächen, dem Oberstaatsanwalt und dem Grafen von Sérizy über den wahren Sachverhalt die Augen öffnen. Als diese beiden mächtigen Männer sich den Freunden des Marquis d'Espard anschlossen, war die Frau nur vermöge der Milde ihres Gatten einem Tadel von selten des Gerichts entgangen. Als nun die Marquise d'Espard am Tage zuvor von Luciens Verhaftung hörte, hatte sie ihren Schwager, den Chevalier d'Espard, zu Frau Camusot geschickt. Frau Camusot hatte sich auf der Stelle zu der berühmten Marquise begeben. Vor dem Diner kam sie wieder nach Hause und nahm in ihrem Schlafzimmer ihren Mann beiseite.
    »Wenn du diesen kleinen Gecken Lucien von Rubempré vors Schwurgericht bringen kannst und man seine Verurteilung durchsetzt, so wirst du königlicher Rat am Gericht der zweiten Instanz ...« »Wieso?« »Frau d'Espard möchte es erleben, daß der Kopf dieses armen jungen Menschen fällt. Es lief mir kalt über den Rücken, als ich den Haß einer hübschen Frau reden hörte.« »Mische dich nicht in die Angelegenheiten des Justizpalastes,« erwiderte Camusot seiner Frau. »Ich, mich hineinmischen!« entgegnete sie. »Uns hätte ein Dritter hören können, und er hätte nicht gewußt, um was es sich handelte. Die Marquise und ich, wir waren alle beide ebenso entzückend heuchlerisch, wie du es in diesem Augenblick gegen mich bist. Sie wollte mir für deine guten Dienste in ihrer Sache danken und sagte, trotz des Mißerfolges sei sie dafür erkenntlich. Sie sprach mir von der furchtbaren Vollmacht, die das Gesetz euch gebe. Es ist furchtbar, einen Menschen aufs Schafott schicken zu müssen; aber den! das wäre nur Gerechtigkeit! und so weiter. Sie beklagte, daß es mit einem so schönen jungen Menschen, den ihre Cousine, Frau du Châtelet, nach Paris geführt habe, eine so schlimme Wendung genommen hätte. ›Dahin‹ sagte sie, ›führen schlechte Frauen wie diese Coralie und diese Esther junge Leute, die verderbt genug sind, den unsaubern Gewinn mit ihnen zu teilen!‹ Kurz, schöne Tiraden über die Barmherzigkeit und die Religion! Frau du Châtelet habe ihr gesagt, Lucien verdiene tausendmal den Tod, denn er habe seine Schwester und seine Mutter fast getötet... Sie sprach von einer Vakanz am Gericht der zweiten Instanz, sie kenne den Justizminister. ›Ihr Gatte, gnädige Frau, hat eine schöne Gelegenheit, sich auszuzeichnen!‹ sagte sie zum Schluß... Nun, also.« »Wir zeichnen uns tagtäglich aus, indem wir unsere Pflicht tun,« sagte Camusot. »Du wirst es weit bringen, wenn du überall Richter bist, selbst deiner Frau gegenüber,« rief Frau Camusot. »Sieh, ich hatte dich für einen Tropf gehalten; heute bewundere ich dich...« Der Richter hatte jenes Lächeln auf den Lippen, das nur Richter kennen und das ebenso seinen besonderen Charakter hat wie das der Tänzerinnen.
    »Gnädige Frau, darf ich eintreten?« fragte die Kammerfrau. »Was wollen Sie?« fragte die Herrin. »Gnädige Frau, die erste Zofe der Frau Herzogin von Maufrigneuse war hier, während die gnädige Frau fort waren, und sie bittet die gnädige Frau im Namen ihrer Herrin, alles stehen und liegen zu lassen und ins Hotel Cadignan zu kommen.« »Man soll mit dem Diner warten,« sagte die Frau des Richters, da sie sich überlegte, daß der Kutscher des Fiakers, der sie nach Hause gefahren hatte, noch auf seine Bezahlung wartete.
    Sie setzte ihren Hut wieder auf, stieg wieder in den Wagen und war in zwanzig Minuten im Hotel Cadignan. Frau Camusot, die durch die kleine Pforte eingeführt wurde, blieb zehn Minuten lang allein in einem Boudoir, das neben dem Schlafzimmer der Herzogin lag; die Herzogin erschien strahlend, denn sie wollte nach Saint-Cloud aufbrechen, wohin eine Einladung des Hofes sie rief.
    »Meine Kleine, unter uns, zwei Worte genügen.« »Ja, Frau Herzogin.« »Lucien von Rubempré

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