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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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beiden Gefolgsleuten, die sich untergefaßt hatten, versperrte er dem Ankömmling den Weg. »O Dab, bist du denn Schwarzwild geworden?« fügte La Pouraille hinzu. »Man sagt, du hast uns unsere Philipper (Goldstücke) stibitzt?« fuhr Le Biffon mit drohender Miene fort. »Wirst du unsern Kies (Geld) rausrücken?« fragte Seidenfaden.
    Diese drei Fragen kamen wie drei Pistolenschüsse.
    »Scherzen Sie nicht mit einem armen Priester, den man aus Versehen hierher geführt hat,« erwiderte Jakob Collin mechanisch, obwohl er seine drei Kameraden auf der Stelle erkannt hatte. »Das ist der Klang der Schelle, wenn es auch nicht mehr die Fratze ist,« sagte La Pouraille, indem er seine Hand auf Jakob Collins Schulter fallen ließ.
    Diese Geste und der Anblick der drei Kameraden rissen den Dab gewaltsam aus seiner Niedergeschlagenheit heraus und gaben ihn der Empfindung für das wirkliche Leben zurück; denn während dieser verhängnisvollen Nacht hatte er in den unendlichen geistigen Welten der Empfindung geschwebt, in denen er einen neuen Weg suchte.
    »Bringe keinen Ragout (Argwohn) auf deinen Dab!« sagte Jakob Collin leise mit hohler und drohender Stimme, die dem dumpfen Knurren eines Löwen glich. »Da lauert die Polizei, laß sie ins Garn gehen. Ich spiele Komödie für eine Spitze in letzter Not.« Das sagte er mit der Salbung eines Priesters, der Unglückliche zu bekehren sucht; und es wurde begleitet von einem Blick, mit dem Jakob Collin den ganzen Hof überflog; er sah die Aufseher unter den Arkaden und zeigte sie seinen drei Gefährten voll Hohn. »Sind keine Köche da? Steckt eure Hellen auf und putzt den Docht (schaut aus und paßt auf)! Ihr kennt mich nicht, Vorsicht, und faßt mich als Schwarzwild an, oder ich lege euch rein, euch und eure Weiber und euren Kies!« »Bist du denn bange vor uns?« fragte Seidenfaden. »Du willst deine Tante retten?« »Magdalene ist geputzt für den Richtplatz,« sagte La Pouraille.
    »Theodor!« erwiderte Jakob Collin, indem er ein Aufspringen und einen Schrei gewaltsam unterdrückte. Es war der letzte Folterhieb für diesen vernichteten Koloß. »Den wollen sie kalt machen,« wiederholte La Pouraille, »er ist seit zwei Monaten zum Transport geliefert.«
    Jakob Collin, den eine Ohnmacht befiel und dem die Knie wie abgeschnitten waren, wurde von seinen drei Gefährten aufgefangen, und er hatte die Geistesgegenwart, seine Hände wie in Zerknirschung zu falten. La Pouraille und Le Biffon stützten den Kirchenschänder Betrüg-den-Tod ehrfurchtsvoll, während Seidenfaden zum diensttuenden Aufseher an die Tür des Portales lief, das in das Sprechzimmer führt.
    »Der hochwürdige Priester möchte sich setzen, geben Sie mir einen Stuhl für ihn.«
    So versagte der Schlag, den Bibi-Lupin zu führen gedachte. Betrüg-den-Tod erlangte, genau wie Napoleon, als seine Soldaten ihn wiedererkannten, von den drei Sträflingen Unterwerfung und Achtung. Zwei Worte hatten genügt: eure Weiber und euer Kies (eure Frauen und euer Geld)! alles, was die wahren Interessen des Mannes zusammenfaßte. Diese Drohung war für die drei Sträflinge das Zeichen der höchsten Macht: der Dab hatte ihr Vermögen immer noch in der Hand. Ihr Dab war draußen immer noch allmächtig, und er hatte sie nicht, wie falsche Brüder behaupteten, verraten. Der ungeheure Ruf, in dem ihr Führer wegen seiner Gewandtheit und Geschicklichkeit stand, reizte übrigens die Neugier der drei Sträflinge; denn im Gefängnis wird die Neugier zum einzigen Ansporn dieser welken Seelen. Die Verwegenheit der Verkleidung Jakob Collins, die er selbst noch hinter den Riegeln der Conciergerie aufrechterhielt, blendete übrigens die drei Verbrecher.
    »Ich bin seit vier Tagen in Geheimhaft und wußte nicht, daß Theodor der Abtei schon so nahe ist...« sagte Jakob Collin. »Ich kam, um einen armen Kleinen zu retten, der sich da gestern um vier Uhr aufgehängt hat; und jetzt stehe ich wieder vor einem neuen Unglück. Ich habe keine Asse mehr im Spiel!...« »Armer Dab!« sagte Seidenfaden. »Ach, der Bäcker (Teufel) läßt mich im Stich!« rief Jakob Collin, indem er sich seinen beiden Gefährten aus den Armen riß und sich mit furchtbarer Miene aufrichtete. »Es kommt ein Augenblick, in dem die Welt stärker ist als wir! Der Storch (Justizpalast) schluckt uns über!«
    Der Direktor der Conciergerie kam selber auf den Gefängnishof, als er von der Ohnmacht des spanischen Priesters hörte, um ihn auszuspionieren; er ließ ihn in der Sonne

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