Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Schöne, das Erhabene! So schöne Seelen kann man nicht verwandeln! Er hatte nur mein Geld von mir angenommen, Herr Graf!«
Diese tiefe, völlige Aufgabe der Persönlichkeit, die der Richter nicht wieder beleben konnte, bewies die furchtbaren Worte des Menschen so gut, daß Herr von Granville auf die Seite des Verbrechers trat. Es blieb noch der Oberstaatsanwalt übrig. »Wenn Sie nichts mehr interessiert,« fragte Herr von Granville, »was wollten Sie mir dann sagen?« »Ist es nicht schon viel, daß ich mich ergebe? Sie ›brannten‹, aber Sie hatten mich noch nicht; ich würde Ihnen außerdem zuviel zu schaffen machen! ...« ›Was für ein Gegner!‹ dachte der Oberstaatsanwalt. »Herr Oberstaatsanwalt, Sie wollen einem Unschuldigen den Kopf abschlagen lassen, und ich habe den Schuldigen gefunden,« fuhr Jakob Collin ernst fort, indem er sich die Tränen abtrocknete. »Ich bin nicht um deretwillen hier, sondern um Ihretwillen. Ich wollte Ihnen einen Gewissensbiß ersparen, denn ich liebe alle, die Lucien irgendwelches Interesse entgegenbrachten, genau wie ich alle mit meinem Haß verfolgen werde, die ihn am Leben gehindert haben ... Was macht mir das aus, mir, einem Sträfling?« fuhr er nach einer leichten Pause fort. »Ein Sträfling ist in meinen Augen kaum das, was für Sie eine Ameise ist. Ich bin wie die italienischen Räuber, die stolzen Kerle! Wenn ihnen der Reisende nur etwas mehr einbringt als den Preis des Schusses, strecken sie ihn zu Boden! Ich habe nur an Sie gedacht. Ich habe diesen jungen Menschen in die Beichte genommen; er konnte sich nur mir anvertrauen, er ist mein Kettengenosse! Theodor ist von Natur gut; er glaubte einer Geliebten einen Dienst zu leisten, wenn er es übernahm, gestohlene Dinge zu verkaufen oder zu verpfänden; aber in der Angelegenheit von Nanterre ist er als Verbrecher so wenig beteiligt wie Sie. Er ist Korse; es liegt in ihren Sitten, daß sie sich rächen, daß sie sich gegenseitig wie die Fliegen töten. In Italien und Spanien hat man nicht die Achtung vor dem Menschenleben, und das ist ganz in Ordnung. Man glaubt dort, daß wir eine Seele besitzen, ein Irgendetwas, ein Bild von uns, das uns überlebt, das ewig leben soll. Erzählen Sie doch unsern Analytikern von diesem Hirngespinst! Gerade die atheistischen und philosophischen Länder lassen das Menschenleben den, der es zerstört, teuer bezahlen, und sie haben recht, weil sie nur an die Materie, an die Gegenwart glauben! Wenn Calvi Ihnen die Frau angegeben hätte, von der die gestohlenen Gegenstände stammen, so hätten Sie zwar nicht den eigentlichen Schuldigen, denn der ist in Ihren Krallen, wohl aber eine Mitschuldige gefunden, die der arme Theodor nicht zugrunde richten will, denn es ist eine Frau ... Was wollen Sie! Jeder Stand hat seine Ehre, das Bagno und die Halunken haben auch die ihre! Jetzt kenne ich den Mörder dieser beiden Frauen und die Urheber dieses verwegenen, merkwürdigen, unheimlichen Unternehmens; man hat es mir in allen Einzelheiten erzählt. Schieben Sie die Hinrichtung Calvis auf, so werden Sie alles erfahren; aber geben Sie mir Ihr Ehrenwort, ihn wieder ins Bagno zu schicken, indem sie seine Strafe umwandeln lassen in ... Unter meinen Schmerzen kann man sich nicht die Mühe machen, zu lügen, das wissen Sie. Was ich Ihnen sage, ist die Wahrheit ...« »Ihnen gegenüber, Jakob Collin, glaube ich, obwohl es die Rechtsprechung erniedrigen heißt, da sie solche Kompromisse niemals gutheißen könnte, von der Strenge meiner Obliegenheiten abweichen zu können, indem ich mich auf den beziehe, dem es dem Rechte nach zusteht.« »Gewähren Sie mir dieses Leben?« »Das wird möglich sein ...« »Herr Graf, ich flehe Sie an, mir Ihr Wort zu geben, das soll mir genügen.« Herr von Granville machte eine Geste verletzten Stolzes. »Ich habe die Ehre dreier hoher Familien in der Hand, und Sie haben nur das Leben dreier Sträflinge,« fuhr Jakob Collin fort; »ich bin stärker als Sie.« »Man kann Sie wieder in strengen Gewahrsam werfen; was wollen Sie da machen? ...« fragte der Oberstaatsanwalt. »Oh, spielen wir denn?« sagte Jakob Collin. »Ich sprach frei von der Leber weg! Ich sprach zu Herrn von Granville; aber wenn der Oberstaatsanwalt da ist, so nehme ich meine Karten wieder auf und lasse Sie nicht mehr hineinsehen ... Und dabei wollte ich Ihnen, wenn Sie mir Ihr Wort gäben, die Briefe ausliefern, die Fräulein Klotilde von Grandlieu an Lucien geschrieben hat!«
Das wurde in einem Ton, mit
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