Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Grafen von Sérizy erteilt worden.« »Wie sah diese Frau aus?« fragte der Oberstaatsanwalt. »Sie schien uns eine vornehme Dame zu sein.« »Haben Sie ihr Gesicht gesehen?« »Sie trug einen schwarzen Schleier.« »Was hat sie gesprochen?« »Nun, eine Fromme mit einem Gebetbuch ... was sollte die wohl sagen? ... Sie bat um den Segen des Abbés, sie kniete nieder ...« »Haben sie sich lange unterhalten?« fragte der Richter. »Keine fünf Minuten; aber verstanden haben wir alle nicht, was sie sagten, sie haben wahrscheinlich spanisch gesprochen.« »Sagen Sie uns alles, Herr Direktor,« fuhr der Oberstaatsanwalt fort; »ich wiederhole Ihnen, die geringste Einzelheit ist für uns von entscheidender Bedeutung. Möge Ihnen dies als Warnung dienen!« »Sie weinte, Herr Graf.« »Weinte sie wirklich?« »Das konnten wir nicht sehen, sie bedeckte ihr Gesicht mit dem Taschentuch. Sie hat dreihundert Franken in Gold für die Gefangenen zurückgelassen.« »Dann ist sie es nicht!« rief Camusot. »Bibi-Lupin«, fuhr Herr Gault fort, »rief aus: ›Das ist eine Gaunerin!‹« »Er kennt sich darin aus,« sagte Herr von Granville. »Erlassen Sie den Hastbefehl,« fügte er mit einem Blick auf Camusot hinzu, »und schnell bei ihr überall die Siegel angelegt! ... Aber vor allem, wie hat sie sich die Empfehlung des Herrn von Sérizy verschaffen können? ... Bringen Sie mir den Erlaubnisschein der Präfektur ... Eilen Sie, Herr Gault! Und schicken Sie mir gleich den Abbé. Solange wir ihn da haben, kann die Gefahr nicht größer werden. Und in einer zweistündigen Unterredung macht man schon einige Fortschritte in der Kenntnis einer Menschenseele.« »Vor allem ein Oberstaatsanwalt wie Sie,« sagte Camusot fein. »Wir sind zu zweit,« erwiderte der Oberstaatsanwalt höflich. Und er sank in seine Überlegungen zurück. »Man müßte in allen Sprechzimmern der Gefängnisse ein Aufseheramt einrichten, das mit einem guten Gehalt den geschicktesten und ergebensten Polizeiagenten verliehen würde,« sagte er nach einer langen Pause. »Da müßte Bibi-Lupin sein Leben beschließen. Dann hätten wir ein Auge und ein Ohr an einer Stelle, die eine geschicktere Überwachung verlangt, als jetzt vorhanden ist. Herr Gault hat nichts Entscheidendes sagen können.« »Er ist so in Anspruch genommen,« sagte Camusot; »aber zwischen den Geheimzellen und uns liegt eine Lücke. Um von der Conciergerie zu uns zu kommen, geht man durch Gänge, Höfe und über Treppen. Die Aufmerksamkeit unserer Gendarmen ebbt ab, während der Gefangene immer nur an seine Sache denkt. Es hat schon einmal, wie man mir sagte, eine Dame auf seinem Weg gestanden, als Jakob Collin aus seiner Zelle zum Verhör kam. Diese Frau ist bis zu dem Gendarmenposten vorgedrungen, oben über der kleinen Treppe von der Souricière her; die Gerichtsdiener haben es mir gesagt, und ich habe die Gendarmen deswegen ausgescholten.« »Oh, der Palast müßte ganz und gar neu gebaut werden,« sagte Herr von Granville; »aber das ist eine Ausgabe von zwanzig bis dreißig Millionen! ... Verlangen Sie doch von der Kammer dreißig Millionen für die Bequemlichkeit der Richter!«
    Man hörte die Schritte mehrerer Personen und das Geräusch von Waffen. Es mußte Jakob Collin sein. Der Oberstaatsanwalt legte sich eine Maske der Würde über das Gesicht, unter der der Mensch verschwand. Camusot ahmte darin dem Leiter der Staatsanwaltschaft nach. In der Tat öffnete der Bureaudiener die Tür, und Jakob Collin trat ruhig und ohne jedes Staunen ein.
    »Sie haben mich sprechen wollen,« sagte der Oberstaatsanwalt, »ich höre Sie.« »Herr Graf, ich bin Jakob Collin, ich ergebe mich!« Camusot erzitterte, der Oberstaatsanwalt blieb ruhig. »Sie werden sich denken können, daß ich meine Gründe habe, so zu handeln,« fuhr Jakob Collin fort, indem er einen spöttischen Blick über die beiden Richter gleiten ließ. »Ich muß Ihnen ungeheure Verlegenheiten bereiten; denn wenn ich spanischer Priester bleibe, lassen Sie mich von der Gendarmerie bis zur Grenze bei Bayonne begleiten, und da befreien die spanischen Bajonette Sie von mir!« Die beiden Richter verharrten reglos und stumm. »Herr Graf,« fuhr der Sträfling fort, »die Gründe, die mich treiben, so zu handeln, sind noch ernsterer Natur, obgleich sie verteufelt persönlich sind; aber ich kann sie nur Ihnen sagen ... Sollten Sie Furcht haben?« »Furcht! Wovor, vor wem?« sagte der Graf von Granville.
    Haltung, Ausdruck, Kopfneigung, Geste und

Weitere Kostenlose Bücher