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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Verteidigung der französischen Küsten unterstützt hatte, die durch den mittlerweile sogenannten Feldzug von Walcheren angegriffen worden waren, wobei der Herzog von Otranto Talente entfaltete, die den Kaiser beängstigten? Es war damals schon für Fouché wahrscheinlich; aber heute, da jedermann weiß, was damals in dem von Cambacérès berufenen Ministerrat vorging, ist es zur Gewißheit geworden. Die Minister waren alle zu Boden geschmettert von der Nachricht über das Attentat Englands, das Napoleon den Feldzug von Boulogne zurückgeben wollte, und sie sahen sich überrumpelt ohne den Meister, der auf der Insel Lobau verschanzt war, wo ganz Europa ihn für verloren hielt; und also wußten sie nicht; welchen Entschluß sie fassen sollten. Die allgemeine Meinung ging dahin, dem Kaiser einen reitenden Boten zu schicken, aber Fouché allein wagte es, den Feldzugsplan zu entwerfen, den er auch ausführte, »Handeln Sie, wie Sie wollen,« sagte Cambacérès zu ihm; »mir aber ist mein Kopf zu lieb, und ich schicke dem Kaiser einen Bericht.«
    Man weiß, welchen absurden Vorwand der Kaiser ergriff, als er bei seiner Rückkehr vor versammeltem Staatsrat seinem Minister die Gnade entzog und ihn dafür bestrafte, daß er Frankreich ohne ihn gerettet hatte. Seit jenem Tage stand dem Kaiser außer der Feindschaft des Fürsten von Talleyrand auch die des Herzogs von Otranto im Wege, und sie waren die beiden einzigen großen Politiker, die aus der Revolution hervorgegangen waren und die Napoleon 1813 vielleicht hätten retten können. Um Peyrade zu beseitigen, ergriff man den vulgären Vorwand der Veruntreuung; er hatte den Schmuggel begünstigt, indem er mit dem Großhandel ein paar Gewinste teilte. Diese Behandlung war hart für einen Mann, der den Marschallstab des Generalkommissariats großen Diensten verdankte, die er geleistet hatte. Dieser inmitten der Geschäfte gealterte Mann kannte die Geheimnisse aller Regierungen, die sich seit 1775 gefolgt waren; denn in diesem Jahre war er in das Generalpolizeiamt eingetreten. Der Kaiser, der sich für stark genug hielt, sich Menschen zu seinem Gebrauch zu schaffen, achtete nicht auf die Vorstellungen, die man ihm zugunsten eines Mannes machte, der als eines der verläßlichsten, der geschicktesten und schlauesten jener unbekannten Genies galt, die die Aufgabe haben, über die Sicherheit der Staaten zu wachen. Er glaubte, Peyrade durch Contenson ersetzen zu können; aber Contenson wurde damals von Corentin in Anspruch genommen, und zwar zu dessen Nutzen. Peyrade war um so grausamer getroffen, als er, ein Wüstling und Schlemmer, sich den Frauen gegenüber in der Lage eines Zuckerbäckers befand, der Naschwerk liebt. Seine lasterhaften Gewohnheiten waren ihm zur Natur geworden: er konnte es nicht mehr entbehren, gut zu speisen, zu spielen, kurz, jenes Leben eines prunklosen großen Herrn zu führen, dem sich alle Menschen von großen Fähigkeiten ergeben, wenn ihnen übermäßige Zerstreuungen zum Bedürfnis geworden sind. Dann hatte er bisher im großen Stil gelebt, ohne je zur Repräsentation verpflichtet zu sein, aus dem Vollen speisend, denn man rechnete nie mit ihm oder seinem Freund Corentin. Als ein zynisch geistreicher Mensch liebte er seinen Stand, er war Philosoph. Schließlich kann ein Spion, auf welcher Stufe der Leiter der Polizei er auch stehe, ebensowenig wie ein Sträfling in einen sogenannten ehrlichen oder freien Beruf zurückkehren. Spione wie Sträflinge haben, wenn sie einmal auf der Liste stehen, gleich den Kirchendienern einen unauslöschlichen Charakter. Es gibt Wesen, denen ihr sozialer Stand ihr Schicksal unweigerlich aufprägt. Zu seinem Unglück hatte Peyrade sich in ein hübsches kleines Mädchen vernarrt, in ein Kind, das er selbst mit einer berühmten Schauspielerin gezeugt hatte, der er einen Dienst erwies und die ihm drei Monate lang dankbar war. Peyrade sah sich also, als er sein Kind aus Antwerpen kommen ließ, in Paris ohne Mittel, abgesehen von einer Unterstützung in Höhe von jährlich zwölfhundert Franken, die die Polizeipräfektur dem alten Schüler Lenoirs zukommen ließ. Er nahm in der Rue des Moineaux in einem vierten Stock eine kleine Wohnung von fünf Zimmern, für die er zweihundertfünfzig Franken zahlte.
    Wenn je ein Mensch, muß da nicht der moralisch Aussätzige, den die Masse einen Spion, das Volk einen Spitzel und die Verwaltung einen Agenten nennt, fühlen, wie nützlich, wie angenehm die Freundschaft ist? Peyrade und

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