Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Corentin also waren Freunde, wie Orest und Pylades es waren. Peyrade hatte Corentin zu dem gemacht, was er war; genau wie Vien David zu dem gemacht hat, was er wurde; aber der Schüler übertraf den Meister gar bald. Sie hatten zusammen mehr als einen Feldzug unternommen (siehe ›Eine dunkle Begebenheit‹). Peyrade, der glücklich war, weil er Corentins Begabung erraten hatte, lancierte ihn in seiner Laufbahn, indem er ihm einen Triumph bereitete. Er zwang seinen Schüler, sich einer Geliebten, die ihn verabscheute, als Angel zu bedienen, um einen Menschen zu fangen. Und Corentin war damals kaum fünfundzwanzig Jahre alt!... Corentin war einer der Generale geblieben, deren Konnetabel der Polizeiminister ist, und er hatte unter dem Herzog von Rovigo die hervorragende Stellung bewahrt, die er unter dem Herzog von Otranto eingenommen hatte. Nun war es damals bei der politischen Polizei genau so wie bei der Kriminalpolizei. Bei jeder ein wenig ausgedehnten Angelegenheit schloß man mit den drei, vier oder fünf tüchtigen Agenten einen Akkord. Wenn der Minister von irgendeiner Verschwörung unterrichtet oder vor irgendeinem Anschlag gewarnt wurde, einerlei, wie es geschah, so sagte er zu einem der Obersten seiner Polizei: ›Was brauchen Sie, um zu dem und dem Ergebnis zu kommen?‹ Corentin, Contenson antworteten dann nach reiflicher Erwägung! ›Zwanzig-, dreißig-, vierzigtausend Franken.‹
War dann einmal der Auftrag zum Vorrücken gegeben, so blieben alle anzuwendenden Mittel und Leute der Wahl und dem Urteil Corentins oder des gewählten Agenten überlassen. Die Kriminalpolizei arbeitete übrigens mit dem berühmten Vidocq in der Entdeckung der Verbrechen ebenso.
Die politische Polizei wählte wie die Kriminalpolizei ihre Leute hauptsächlich unter den bekannten, registrierten, eingewöhnten Agenten, wie sie gleichsam die Soldaten dieser Streitmacht bilden, die für die Regierungen so notwendig ist, was auch die Philanthropen oder die Moralisten mit ihrer kleinen Moral dagegen einwenden mögen. Aber das ungeheure Vertrauen, das den zwei oder drei Generalen von der Art Peyrades und Corentins gebührte, brachte für sie das Recht mit sich, unbekannte Personen zu verwenden, freilich stets unter der Bedingung, daß sie in ernsten Fällen dem Minister Bericht erstatten mußten. Nun waren Peyrades Erfahrung und Schlauheit für Corentin zu kostbar, und sowie der Sturm von 1810 vorüber war, verwandte er seinen alten Freund; er zog ihn stets zu Rate und sorgte reichlich für seine Bedürfnisse. Corentin fand Mittel und Wege, Peyrade etwa tausend Franken im Monat zu geben, Peyrade seinerseits leistete Corentin ungeheure Dienste. 1816 versuchte Corentin anläßlich der bonapartistischen Verschwörung, an der Gaudissart teilnehmen sollte, Peyrade in die politische Polizei wieder einzuführen; aber ein unbekannter Einfluß setzte sich ihm entgegen. Der Grund war dieser. In ihrem Wunsch, sich unentbehrlich zu machen, hatten Peyrade, Corentin und Contenson auf Anstiften des Herzogs von Otranto für Ludwig XVIII. eine Gegenpolizei organisiert, in der die Agenten ersten Ranges ihre Stellung fanden, Ludwig XVIII. starb, unterrichtet von Geheimnissen, die den bestunterrichteten Historikern Geheimnisse bleiben werden. Der Kampf der politischen Polizei des Königreichs mit der Gegenpolizei des Königs erzeugte grauenhafte Verwicklungen, deren Geheimnisse durch einige Hinrichtungen bewahrt worden sind. Es ist hier weder der Ort noch die Gelegenheit, uns in dieser Hinsicht in Einzelheiten einzulassen, denn die Szenen aus dem Pariser Leben sind nicht die Szenen aus dem politischen Leben; und es genügt, darauf aufmerksam zu machen, welches die Existenzmittel des Mannes waren, den man im Café David den Vater Canquoelle nannte, und durch welche Fäden er mit der furchtbaren und geheimnisvollen Macht der Polizei zusammenhing. Von 1817 bis 1822 hatten Corentin, Contenson, Peyrade und ihre Agenten oft genug den Auftrag, das Ministerium selbst zu überwachen. Darin liegt die Erklärung, weshalb das Ministerium es ablehnte, Peyrade und Contenson zu verwenden, auf die Corentin ohne ihr Wissen den Verdacht der Minister lenkte; denn als ihm die Wiedereinsetzung seines Freundes in sein Amt unmöglich schien, wollte er ihn wenigstens ausnutzen. Die Minister hatten hinfort auch wirklich Vertrauen zu Corentin und beauftragten ihn, Peyrade zu überwachen, was Ludwig XVIII. ein Lächeln entlockte. So wurden Corentin und Peyrade zu Herren des
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