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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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bei den Türen der Gefängnisse. Daher lebte Lydia dort auch, obwohl das Haus unten einen langen dunklen Treppenflur, einen Laden und keinen Pförtner hatte, ohne die geringste Furcht. Das Speisezimmer, der kleine Salon und das Schlafzimmer, deren Fenster alle schwebende Gärtchen hatten, waren von flämischer Sauberkeit und voller Luxus eingerichtet. Die flämische Amme hatte Lydia, die sie ihre Tochter nannte, nie verlassen. Beide gingen mit einer Regelmäßigkeit in die Kirche, die dem royalistischen Krämer unten im Hause an der Ecke der Rue des Moineaux und der Rue Neuve Saint-Roche, dessen Familie, Küche und Kommis den ersten Stock und den Zwischenstock inne hatten, eine ausgezeichnete Meinung von dem Biedermann Canquoelle gab. Im zweiten Stock wohnte der Hauseigentümer, und der dritte Stock war seit zwanzig Jahren an einen Steinmetz vermietet. Jeder der Mieter hatte einen Schlüssel zur Haustür. Die Frau des Krämers nahm Briefe und Pakete für die drei friedlichen Haushaltungen um so freundlicher an, als der Krämerladen mit einem Briefkasten versehen war. Ohne diese Einzelheiten hätten weder Fremde noch solche, denen Paris bekannt ist, die Heimlichkeit und Ruhe der Verlassenheit und Sicherheit begreifen können, die dieses Haus zu einer Ausnahme in Paris machten. Von Mitternacht an konnte der Vater Canquoelle alle Anschläge schmieden, Spione und Minister, Frauen und Dirnen empfangen, ohne daß irgend jemand in der Welt davon erfuhr. Peyrade, von dem die Flamländerin zu der Köchin des Krämers gesagt hatte: ›Der würde keiner Fliege etwas zuleide tun!‹ galt für den besten der Menschen. Für seine Tochter sparte er nichts. Lydia, die Schmucke zum Musiklehrer gehabt hatte, war so musikalisch, daß sie komponieren konnte. Sie verstand, in Sepia zu tuschen und mit Wasserfarben zu malen. Peyrade speiste jeden Sonntag mit seiner Tochter. An diesem Tag war der Biedermann ausschließlich Vater. Lydia war religiös, ohne Frömmlerin zu sein; und jeden Monat beichtete sie und nahm das Abendmahl. Nichtsdestoweniger erlaubte sie sich von Zeit zu Zeit das kleine Vergnügen, ins Theater zu gehen. Wenn das Wetter schön war, ging sie in den Tuilerien spazieren. Das waren all ihre Genüsse, denn sie führte eine völlig häusliche Lebensweise. Lydia, die ihren Vater anbetete, hatte keine Ahnung von seiner unheimlichen Begabung und seinen dunklen Beschäftigungen. Kein Verlangen hatte das reine Leben dieses so reinen Kindes getrübt. Schlank, schön wie ihre Mutter, begnadet mit einer entzückenden Stimme, im Besitz eines seinen Lärvchens, das von schönem, blondem Haar umrahmt war, glich sie jenen eher mystischen als realen Engeln, wie sie ein paar primitive Maler in den Hintergrund ihrer Heiligen Familie setzten. Der Blick ihrer blauen Augen schien einen Strahl des Himmels über den zu gießen, dem sie die Gunst erwies, ihn anzusehen. Ihre keusche Kleidung, die keine modischen Übertreibungen duldete, atmete ein reizendes Parfüm von Bürgerlichkeit aus. Man stelle sich einen alten Satan vor, der einen Engel zur Tochter hat und sich durch diese Berührung mit dem Göttlichen erfrischt, so hat man einen Begriff von Peyrade und seiner Tochter. Wenn irgend jemand diesen Diamanten beschmutzt hätte, so hätte der Vater, um diesen zu verschlingen, eine jener grauenhaften Fallen erfunden, in denen sich unter der Restauration die Unglücklichen fingen, die ihren Kopf aufs Schafott trugen. Tausend Taler im Jahr genügten für Lydia und Katt, die sie ihre Bonne nannte.
    Als Peyrade oben in die Rue des Moineaux einbog, sah er Contenson; er ging an ihm vorbei, stieg als erster hinauf und führte seinen Agenten, als er seine Schritte auf der Treppe hörte, hinein, ehe noch die Flamländerin die Nase zur Küchentür hinausgesteckt hatte. Eine Glocke, die von einer Tür mit Guckfenster in Bewegung gesetzt wurde und die im dritten Stockwerk hing, da, wo der Steinmetz wohnte, meldete es den Mietern des dritten und vierten Stockwerks, wenn jemand zu ihnen hinaufging. Wir brauchen nicht erst zu sagen, daß Peyrade stets um Mitternacht den Klöppel dieser Glocke umwickelte.
    »Was gibt es denn so Eiliges, Philosoph?« ›Philosoph‹ war der Beiname, den Peyrade Contenson gegeben hatte und den dieser Epiktet unter den Spitzeln auch verdiente. Dieser Name ›Contenson‹ verbarg – ach! einen der ältesten Namen des normannischen Feudaladels (sieh › Les Frères de la Consolation ‹). »Nun, es gibt so gegen Zehntausend zu

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