Glanz
paar Besorgungen machen. Es ist wirklich kein Problem.«
»Hast du ein Handy?«, fragte Emily.
Er nickte. »Aber hier draußen haben wir keinen Empfang. Wir müssen noch einen Moment warten.«
»Okay. Jetzt kommt es ohnehin nicht mehr auf eine halbe Stunde an.«
Der Pick-up war breit genug, dass man halbwegs bequem zu dritt nebeneinander in der Fahrerkabine sitzen konnte. Wir fuhren zurück in die Hütte und packten unsere Habseligkeiten zusammen. Maria hatte die Nahrung für Eric und seine Kleidung mitgenommen, so dass für uns nur wenig Gepäck blieb. Obwohl es mich drängte, Maria so schnell wie möglich zu folgen, nahmen wir uns die Zeit, die Hütte aufzuräumen und das Geschirr zu spülen. Nach einer Viertelstunde brachen wir endlich auf.
Sobald wir Handyempfang hatten, rief George seinen |304| Freund im Krankenhaus von Huntingdon an. Doch wie ich bereits geahnt hatte, war Eric dort nicht eingetroffen. Maria hatte ihn offensichtlich zurück nach New York zu ihrem Chef, Dr. Kaufman, gebracht. Vielleicht hoffte die kleine Schlange, so ihren Job retten zu können.
George brachte den Schlüssel der Hütte zurück zu ihrem Besitzer, dann fuhren wir über die Landstraße Richtung Highway.
Unterwegs versuchte Emily mehrmals, Maria anzurufen, erreichte aber nur die Mailbox. Sie forderte sie auf, sich sofort auf Georges Handy zu melden, aber wir wussten beide, dass Maria dieser Anweisung nicht nachkommen würde. Zwischendurch rief Emily Paul an, doch auch er hatte von Maria nichts gehört.
Ich hatte keine Augen für die herrliche Landschaft, die in strahlendem Sonnenschein dalag, als gäbe es kein Unglück auf der Welt. Die Verzweiflung erzeugte einen bitteren Geschmack in meinem Mund. Georges Pick-up dröhnte in gleichmäßiger Geschwindigkeit über die Straße. Er fuhr die maximal erlaubte Geschwindigkeit, trotzdem hätte ich ihn am liebsten gedrängt, mehr Gas zu geben.
Nach etwa zwei Stunden Fahrt gerieten wir zu allem Überfluss in einen Stau. Eine Spur war wegen eines Unfalls gesperrt – ein Auto war in einer Kurve von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum geprallt. Als wir die Unfallstelle passierten, sah ich das ausgebrannte Wrack neben der Straße auf dem Dach liegen.
»Das sieht aber nicht gut aus«, kommentierte George.
Ich hatte wenig Raum für die Probleme anderer Leute, auch wenn offensichtlich war, dass der Unfall schwer gewesen war und vermutlich Menschen zu Tode gekommen waren. Aber ich hatte auch nicht mehr das Bedürfnis, George zur Eile anzutreiben.
|305| Jetzt, wo ich nichts mehr tun konnte, als meinen düsteren Gedanken nachzuhängen, wurde mir allmählich klar, dass Maria vermutlich wirklich nur das Wohl Erics im Sinn hatte. Doch auch wenn ihre Absichten noch so ehrenvoll waren, brachten sie ihn doch in schreckliche Gefahr. Ich war fest davon überzeugt, dass Eric nicht ohne Emilys und meine Hilfe aufwachen würde, egal, was die Ärzte mit ihm anstellten. Und es war mehr als zweifelhaft, ob sie uns auch nur in seine Nähe lassen würden.
Weit schlimmer erschien mir allerdings die Gefahr, die von dem undurchsichtigen Dr. Ignacius drohte. Mit etwas Abstand erschien die Theorie der Schriftstellerin zwar weit hergeholt, aber nicht unmöglich. Ich dachte an ihre eindringlichen Worte: »Hat Ihr Sohn jemals zuvor Drogen genommen, Mrs. Demmet? … Haben Sie sich nicht gefragt, woher er überhaupt das Geld für dieses Zeug hatte? … Das Computerspiel ist Teil des Experiments …« Wenn die Geschichte stimmte, dann war das ein Skandal, der die ganze Nation erschüttern konnte. Entsprechend energisch würden die Verantwortlichen dafür sorgen, dass nichts davon jemals bekannt wurde.
Mir wurde plötzlich klar, dass Emilys und mein Leben keinen Cent mehr wert waren, falls tatsächlich ein Geheimdienst hinter der Sache steckte. Aber das schreckte mich nicht ab – im Gegenteil steigerte der Gedanke meine Entschlossenheit zu handeln nur noch.
Wir erreichten New York gegen Mitternacht. Natürlich war es zu spät, um Patienten der Faith-Jordan-Klinik zu besuchen. Trotzdem fuhren wir direkt zum Krankenhaus. An der Notaufnahme teilte man uns mit, ein Patient namens Eric Demmet sei nicht bekannt. Ich bestand darauf, einen Arzt der neurologischen Klinik zu sprechen, doch die Krankenschwester am Empfang war es offensichtlich |306| gewohnt, mit hysterischen Angehörigen umzugehen, und ließ sich weder durch Betteln noch durch Drohungen erweichen. So fuhren wir unverrichteter Dinge zu Emilys
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