Glanz
finden.«
Ich ergriff seine Hand, und weil ich ihn nicht ansah, konnte ich mir beinahe vorstellen, dass es die Hand eines vierzehnjährigen Jungen war.
Wir wanderten den Strand zurück bis zum Tor. Als wir auf der Ebene standen, entfernte Eric den Stock und schloss die Tür. Dann machte er Feuer und goss Wasser aus einem blasenartigen Beutel, den er bei sich getragen hatte, in eine Art verkohlten Kochtopf, den er auf ein Holzgestell über das Feuer hängte. Erst beim zweiten Blick erkannte ich darin seinen Bronzehelm. Als er meinen Blick bemerkte, zuckte er nur mit den Schultern. Er breitete die Krakentiere auf dem Sand aus, schlitzte die Haut auf der Unterseite der Arme mit einem scharfen Messer auf, das er aus Knochen oder Stein hergestellt haben musste, und schnitt fingerlange Fleischstücke heraus, die er in den improvisierten Kochtopf warf. Er holte ein paar Kräuter und etwas, das wie getrocknete Pilze aussah, aus der Hütte und warf alles hinein. Mit einem großen, selbstgeschnitzten Löffel rührte er den Eintopf um, kostete, würzte nach. Der Duft, der von der Suppe ausging, war durchaus verlockend.
Schließlich war er zufrieden, nahm den Helm-Kochtopf vom Feuer, stellte ihn vor mich in den Sand und hielt mir den Löffel hin. »Möchtest du davon kosten, göttliche Mutter?«, fragte er. »Es ist nicht gerade Ambrosia, aber es schmeckt eigentlich nicht schlecht.«
Ich probierte einen Löffel. Tatsächlich war der Eintopf sehr schmackhaft. Das Fleisch der Krakentiere und die Gewürze gaben ihm ein exotisches Aroma, das mich an asiatische Fischsuppe erinnerte. Ich hatte fast den halben |332| Topf geleert, als mir einfiel, dass er ja erwähnt hatte, Hunger zu haben. Beschämt hielt ich ihm den Löffel hin.
Er grinste. »Ich freue mich, dass es dir schmeckt«, sagte er und aß mit großem Appetit.
Nachdem er den Helm geleert und gereinigt hatte, packten wir ein paar Vorräte zusammen und brachen auf, um uns auf die Suche zu machen. Ich wusste immer noch nicht, welches der Millionen Tore zum Licht führte. Aber ich hatte eine Idee. Wenn wir durch die Tür traten, die zum Broadway führte, dann konnten wir ein Flugzeug oder auch ein Taxi nach Cambridge nehmen. Vielleicht würde auch in der Traumwelt Eric im Untersuchungsraum in der Fresh-Pond-Klinik liegen. Wenn Eric sich selbst begegnete, so hoffte ich, löste das vielleicht eine Art Erkenntnisschock aus, der ihn wieder zu Bewusstsein bringen würde. Es war vielleicht ein bisschen um die Ecke gedacht, aber immer noch besser, als ziellos über die Ebene der Tore zu irren.
Ich orientierte mich an der Position des weißen Marmorportals, von dem aus ich die Tür zum Broadway das erste Mal entdeckt hatte. So fiel es mir nicht schwer, die Eisentür wiederzufinden.
Ich öffnete die Tür halb in der Erwartung, das erschrockene Gesicht der Putzfrau zu sehen, doch der kleine Innenhof war leer. Ich legte einen Ast zwischen Türblatt und Rahmen und trat hindurch.
Das Erste, was mir auffiel, war die Stille.
Das permanente Rauschen des Verkehrs, das Hupen hektischer Taxifahrer, die allgegenwärtigen Sirenen der Krankenwagen und Polizeistreifen bildeten normalerweise eine Geräuschkulisse, die typisch für New York war und in keiner anderen Stadt auf der Erde identisch klang. Das ewige Konzert der Großstadt. Doch seine Melodie schien verstummt zu sein.
|333| Die Neonreklame gegenüber der Tür war ausgeschaltet.
Ich trat aus dem Innenhof auf die Straße. Der Broadway war voller Autos, wie üblich etwa die Hälfte davon in Taxigelb, doch keines bewegte sich. Im ersten Moment glaubte ich, dass Erics Phantasie irgendwie die Zeit angehalten hatte und ich mich durch ein dreidimensionales Standbild bewegte. Doch ein Blick durch die Windschutzscheibe eines Taxis direkt vor mir offenbarte mir die grausige Wahrheit.
Der Schädel des Fahrers war nur noch mit vertrockneten Fleisch- und Hautfetzen sowie ein paar dünnen Haarsträhnen bedeckt. Der Unterkiefer hing ihm herab, so als lache er herzhaft über einen makabren Scherz. Sein Fahrgast lag an das Fenster gelehnt. Seine leeren Augenhöhlen starrten auf meine Füße.
Eine Bewegung ließ mich herumfahren. Nicht weit von mir entfernt lag ein Mensch auf dem Gehweg. Für einen Moment hatte ich den Eindruck, er winke mir mit der Hand zu, doch dann erkannte ich, dass es eine Krähe war, die auf seiner Brust saß und mit ihrem Schnabel in der Bauchhöhle wühlte.
Die Krähen waren überall – auf den zahllosen Leichen, in den
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