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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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bringen.«
    »Das kannst du doch vergessen, Anna, das weißt du genau. Lass uns zu zweit fahren. Vielleicht haben wir uns in Dr. Ignacius getäuscht, und er lässt uns sogar mit Eric Kontakt aufnehmen.«
    Ich dachte an den brennenden Mann und spürte Übelkeit in mir aufsteigen. »Meinst du wirklich, Erics Seele kann sich so täuschen?«
    »Er hat möglicherweise Angst vor dem, was der Arzt mit ihm gemacht hat. Vielleicht hat er eine neue Behandlungsmethode probiert, die für Eric schmerzhaft ist – Elektroschocks oder so. Das würde auch erklären, wieso Eric ihn als brennenden Mann darstellt. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass er kein guter Arzt ist.«
    »Selbst wenn, wird er deine Fähigkeit als esoterische Scharlatanerie abtun, genau wie Dr. Kaufman.«
    »Vielleicht ist er aufgeschlossener, als wir denken. So oder so bleibt uns doch nichts anderes übrig, als es zu versuchen, oder?«
    Ich dachte darüber nach. Emily hatte recht. Trotzdem hatte ich ein ungutes Gefühl bei der Sache. Brennende Magensäure stieg in meinem Hals auf, und mein Speichel wurde dünnflüssig. Nur mit Mühe konnte ich verhindern, dass ich mich übergeben musste.
    »Wir können ja zusammen nach Cambridge fahren, aber ich gehe erst mal allein …«, begann ich, wurde aber vom Klingeln des Telefons unterbrochen. Emily sprang auf und ging an den Apparat.
    »Maria!«, rief sie. »Wo bist du? … Ja, das hab ich mir gedacht. … Ja, ich weiß. Trotzdem war es nicht in Ordnung! Du hättest uns … Vielleicht, aber trotzdem: Er ist Annas Sohn … Ja, schon gut. Das sagst du ihr am besten selbst … Du hast es ihm erzählt? Aber … Wirklich? Na gut. Bleib erst mal da, wir kommen zu euch … Gut. Bis nachher.«
    Sie legte auf. »Es tut ihr leid, dass sie dir solche Angst eingejagt hat, Anna, aber sie ist davon überzeugt, das Richtige getan zu haben. Sie ist mit Eric direkt zu diesem Dr. Ignacius gefahren. Sie sagt, er war sehr nett und hilfsbereit. Die Klinik macht einen hochprofessionellen Eindruck, und sie ist sicher, dass Eric dort sehr gut aufgehoben ist. Das Beste ist, dass die Behandlung dort nicht mehr kostet als in einem öffentlichen Krankenhaus, obwohl sie viel besser ausgestattet sind. Die Klinik wird wohl von irgendeiner Religionsgemeinschaft finanziert.«
    »Ist mir doch völlig egal, was das kostet«, sagte ich.
    »Ja, ich weiß. Aber jetzt kommt's: Maria hat Dr. Ignacius von meiner Fähigkeit und unserem Kontakt zu Erics Seele erzählt. Und er hat überhaupt nicht abweisend reagiert! 'Wer heilt, hat recht', soll er gesagt haben. Maria meinte, sie hätte selten einen so aufgeschlossenen Arzt kennengelernt. Auf jeden Fall würde er sich freuen, wenn wir beide nach Cambridge kommen und erneut versuchen, Kontakt zu Erics Seele aufzunehmen!« Sie lächelte.
    Das klang gut. Zu gut für meinen Geschmack. »Weiß er von der Droge?«, fragte ich.
    »Ich bin nicht sicher. Maria hat nicht erwähnt, ob sie ihm davon erzählt hat.« Sie sah mich mit einem Blick an, in dem Erleichterung und so etwas wie Vorfreude zu liegen schienen. »Was meinst du, fahren wir?«
    Hundert Alarmglocken dröhnten in meinem Kopf, wenn ich an Ignacius' Anruf dachte. Doch ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte, als seine Einladung anzunehmen, wollte ich Eric jemals wiedersehen. »Also gut.«
    Zwischen New York und Boston gab es einen stündlichen Shuttle-Flug, der um die Mittagszeit noch reichlich Plätze frei hatte. George brachte uns zum Flughafen La Guardia. Ich hatte eine Reisetasche dabei für den Fall, dass ich tatsächlich ein paar Tage in der Klinik bleiben würde. Ich kaufte zwei Tickets mit meiner Kreditkarte. Zum ersten Mal fragte ich mich, wie lange ich noch so weitermachen konnte – ohne Aufträge, ohne Einnahmen, ohne meinen regelmäßigen Auftraggebern auch nur Bescheid zu geben, warum ich nicht erreichbar war. Ich verdrängte den Gedanken rasch. Geld war jetzt mein geringstes Problem.
    Wir landeten am frühen Nachmittag in Boston. Ein Taxi brachte uns nach Cambridge, einem Vorort, der mit dem Massachusetts Institute of Technology und der Harvard University als Wissenschaftszentrum inzwischen weit bedeutender war als die altehrwürdige englische Universitätsstadt, der er seinen Namen verdankte.
    Das »Fresh Pond Institute for Neurology and Psychiatry« befand sich am Rand eines kleinen Sees. Es war in einem modernen Gebäude untergebracht und schien nur ein paar Dutzend Patienten zu beherbergen. Wir betraten den hellen und modern

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