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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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ich mich beruhigt hatte und wieder klar sehen konnte, war Maria verschwunden. Vielleicht war sie vor der Konfrontation mit mir geflohen. Dabei empfand ich überhaupt keinen Zorn mehr auf sie. Nur noch tiefe Sorge um meinen Sohn.
    »Dr. Ignacius, wäre es möglich, dass Sie Mrs. Morrison und mich ein paar Stunden mit Eric allein lassen?«, bat ich. Zwar steckte tief in meinem Inneren immer noch großes Misstrauen gegen den Arzt, doch mein Verstand sagte mir, dass das albern war: Nichts an seinem bisherigen Verhalten deutete auf irgendwelche finsteren Machenschaften hin. Im Gegenteil hatte er sich absolut anständig, fürsorglich und korrekt verhalten. Es gab nicht den geringsten Grund, ihm nicht zu vertrauen.
    »Ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag«, sagte der Arzt. »Maria hat mir von Mrs. Morrisons … außergewöhnlichen Fähigkeiten und Ihren bemerkenswerten Abenteuern erzählt. Ich möchte gern, dass Sie Ihren Versuch, Eric zu retten, fortsetzen – aber im Rahmen eines wissenschaftlichen Experiments.«
    Vielleicht war es das Wort »Experiment«, das mich allzu sehr an Ricarda Hellers Verschwörungstheorie erinnerte – auf jeden Fall war ich augenblicklich von neuem Misstrauen erfüllt. »Was für ein Experiment?«
    Etwas geschah mit Ignacius' Gesicht: Es wurde ausdruckslos. Oder besser, er bemühte sich, es ausdruckslos zu halten und seine Emotionen zu verbergen wie ein untalentierter Pokerspieler, der einen Royal Flush in der Hand hält. Ein leichtes Zucken seiner Mund- und Augenwinkel verrieten die enorme Anspannung, mit der er sich zu beherrschen versuchte.
    »Ich möchte lediglich … überwachen, was mit Eric und mit Ihnen während des Kontaktes geschieht«, sagte er. Seine Stimme war bemüht neutral, als sei das nichts Besonderes.
    »Nein«, sagte ich.

34.
    Einen Augenblick lang verlor der Arzt vollständig die Kontrolle über sein Gesicht. Überraschung, Enttäuschung und Zorn glitten im Sekundentakt darüber. Dann hatte er sich wieder im Griff.
    »Mrs. Demmet, Sie müssen sich keine Sorgen machen«, beteuerte er. »Wir … ich werde nichts tun, was Sie in irgendeiner Weise behindert. Es geht nur um Ihre und Erics Sicherheit.«
    »Wir brauchen Ihre Apparate nicht, Dr. Ignacius«, erwiderte ich. »Wir sind bisher prima ohne sie ausgekommen.«
    »Ach ja? Da hat mir Maria aber etwas anderes erzählt!« Der Arzt schaffte es nicht, den Zorn aus seiner Stimme herauszuhalten. »Nach ihrer Darstellung wäre Eric beinahe an Entkräftung gestorben. Sie können ihr wirklich dankbar sein, dass sie ihn hergebracht hat.«
    Ich traf eine Entscheidung. »Ja, vielleicht«, sagte ich. »Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie meinen Sohn gepflegt haben. Aber ich werde ihn jetzt mit nach Hause nehmen.«
    »Das … das geht auf keinen Fall!« Dr. Ignacius hatte jetzt endgültig die Maske der Gleichgültigkeit abgelegt. »Das kann ich nicht zulassen! Eric … ist nicht transportfähig!«
    »Er ist sehr wohl transportfähig, sonst wäre er ja nicht hier«, erwiderte ich. »Er ist mein Sohn. Sie wissen so gut wie ich, dass Sie ihn nicht gegen meinen Willen hier festhalten können.«
    Ignacius' Stimme wurde ruhig und drohend, und plötzlich erinnerte sie mich wieder an die von Hades. »Sie täuschen sich, Mrs. Demmet. Ich habe es Ihnen schon gesagt: Ich kann ohne weiteres eine gerichtliche Verfügung bewirken, die Ihnen vorübergehend das Sorgerecht entzieht. Wollen Sie das?«
    »Sie bluffen doch!«, rief ich. »Mit welcher Begründung wollen Sie mir denn das Sorgerecht entziehen?«
    Er lächelte kalt. »Sie verhalten sich nicht rational. Sie haben Ihren Sohn aus dem Krankenhaus entführt und ihn damit in Lebensgefahr gebracht. Und Sie sind drogenabhängig!«
    Einen Moment war ich sprachlos. Hatte Maria ihm wirklich alles erzählt? War sie tatsächlich so naiv gewesen? »Das ist Unsinn!«, rief ich, doch Ignacius' Lächeln machte klar: Wir beide wussten, dass er am längeren Hebel saß.
    Sein Gesichtsausdruck wurde milde. »Mrs. Demmet, verstehen Sie doch: Ich will Ihnen und Eric nur helfen! Ich bin auf Ihrer Seite!«
    Bevor ich protestierten konnte, schaltete sich Emily ein. »Was wollen Sie wirklich, Ignacius?«, fragte sie.
    Er sah sie verblüfft an. »Was meinen Sie?«
    »Sie haben von Anfang an ein ungewöhnlich großes Interesse für Eric gezeigt«, erwiderte Emily kühl. »Und jetzt laden Sie uns beide hierher ein, weigern sich aber gleichzeitig, uns mit Eric gehen zu lassen. Sie haben offensichtlich etwas vor.

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