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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Auch auf Wikipedia fand ich einen Eintrag über den Orden mit ähnlichem Inhalt.
    Hatte ich mich getäuscht? Gab es eine ganz andere Erklärung dafür, dass ich hier in meiner Wohnung war? Andererseits war es sehr leicht, die Website einer fiktiven Organisation zu erstellen. Wenn tatsächlich eine weitreichende Verschwörung hinter allem steckte, würden diese Leute ihre Tarngeschichte zweifelsohne durch solche öffentlich zugänglichen Dokumente untermauern.
    Ich googelte den Namen des Priors, Jerry Wilson. Er war tatsächlich Abgeordneter im Repräsentantenhaus und Mitglied der Republikanischen Partei, derem rechten Flügel er zugeordnet wurde. Er galt als konservativer Christ, aber auch als pragmatischer Politiker. Eine Verbindung zum Orden der Suchenden nach der Heiligen Wahrheit fand ich nicht. Dafür war er Mitglied in mehreren Kongressausschüssen, darunter dem Gremium, das die Geheimdienste kontrollierte.
    Ich schauderte. War das die Verbindung, nach der ich suchte? Aber war sie nicht viel zu offensichtlich? Würde jemand, der eine Verschwörung des Geheimdienstes kontrollierte, mir gegenüber so offen in Erscheinung treten?
    Andererseits war vielleicht gerade das ihre Methode: ein paar Tatsachen mit einer großen Portion Lügen zu einem unentwirrbaren Knoten zu verstricken, in dem sich jeder verhedderte, der versuchte, der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Ja, wenn ich es recht bedachte, konnte ich ein Muster hinter den bisherigen Geschehnissen erkennen: Gerade weil Dr. Ignacius und dieser Jerry Wilson offen agierten, waren sie umso weniger verdächtig. Wenn ich in der Öffentlichkeit behauptete, dass ein Abgeordneter der Republikaner in eine Verschwörung verwickelt war, die den Tod von Ricarda Heller verursacht hatte, würde ich mich gründlich lächerlich machen. Meine Glaubwürdigkeit wäre für immer zerstört. Wenn man dahinterkam, dass ich zu allem Überfluss auch noch eine Psychodroge genommen hatte und behauptete, in einer Phantasiewelt im Geist meines Sohnes herumgelaufen zu sein, würde man mich in die geschlossene Psychiatrie einweisen.
    Genau das war es wahrscheinlich, was diese Leute wollten: mich mundtot machen, indem sie mich für verrückt erklären ließen. Irgendwann konnten sie mich dann gefahrlos endgültig zum Schweigen bringen, mich umbringen und meinen Tod wie einen Selbstmord aussehen lassen.
    Ich war in einer so gut wie aussichtslosen Position im Kampf gegen eine übermächtige Geheimorganisation. Eine Organisation, von deren Macht und Verbindungen ich nicht einmal eine Vorstellung hatte. Meine einzigen Verbündeten, Emily, Paul und George, konnte ich nicht erreichen.
    Vielleicht war ihnen etwas zugestoßen, schoss es mir durch den Kopf.
    Ich stand auf und ging nervös in meinem kombinierten Wohn- und Arbeitszimmer auf und ab. Die Lage mochte hoffnungslos erscheinen, aber ich würde nicht aufhören zu kämpfen, solange ich dazu noch in der Lage war.
    Mein Blick fiel auf ein Sideboard, auf dem Fotos von Eric in Silberrahmen standen. Eric als Säugling, Eric als Dreijähriger in Disneyworld an der Hand seines Vaters – ein Bild aus glücklichen Zeiten. Eric bei seinem neunten Geburtstag, Eric auf der Schaukel im Garten meiner Eltern, die beide vor Jahren kurz nacheinander an Krebs gestorben waren.
    Ich stutzte. Zwischen all den vertrauten Bildern eines glücklichen Einzelkindes stand ein Foto, das dort nicht hingehörte: das Porträt eines Mädchens. Die Aufnahme war von einem Profi gemacht worden – ich erkannte sofort das auf den ersten Blick natürlich wirkende Spiel von Licht und Schatten auf ihrem Gesicht, das doch das Ergebnis sorgfältiger künstlicher Beleuchtung war. Ihr glattes Haar fiel locker über ihre Schultern. Die Mundwinkel waren leicht nach oben gezogen, doch das Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Erst jetzt, beim Betrachten dieser Fotografie, fiel mir auf, wie hübsch sie war – wenn sie nicht ein wenig zu jung gewesen wäre, hätte sie ohne weiteres eines der Fotomodelle sein können, die ich für Modemagazine abgelichtet hatte.
    Maria.
    Ich starrte das Bild an. Wie kam es hierher? Und warum stand es dort zwischen den Fotos meines Sohnes, als ob es schon immer hier gewesen wäre?
    Die einzige Erklärung war, dass die Verschwörer es dort platziert haben mussten. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, warum. War dies Teil einer subtilen Methode, mich an meinem Verstand zweifeln zu lassen und mich nach und nach in den Wahnsinn zu treiben? Steckte sie gar mit

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