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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Kontrollausschuss darüber informiert ist. Vielleicht ist die Sache sogar noch schlimmer. Ich muss Cass im Krankenhaus besuchen gehen und dabei herumschnüffeln, mir die Gebärstation ansehen. Ich wette, für eine Einrichtung der dunklen Epoche ist sie ziemlich modern und auf jede Menge gleichzeitiger Geburten eingerichtet.
    Außerdem beschäftigt mich die Frage, was es mit den Aktenkartons im Dokumentenarchiv auf sich hat. Ich schätze, sie enthalten Datenmaterial, das ausgeschrieben rund eine Milliarde Wörter umfassen würde und zu einem Speichermedium gehört, das für zehn, zwanzig, dreißig Gigasekunden, möglicherweise sogar für Hunderte von Gigasekunden Stabilität verspricht. Die Keime für Curious Yellow?
    Kann es sein, dass sie die Babys genau dafür brauchen? Ich weiß nicht mehr, warum Curious Yellow mittlerweile kaum noch ausbricht - es ist eine jener Erinnerungen, die so tief in mir vergraben sind, dass ich nicht mehr an sie herankomme. Aber liegt es nicht auf der Hand, dass hier eine Verbindung bestehen muss? Ursprünglich hat sich die Infektion mit Curious Yellow mittels menschlicher Überträger verbreitet. Auf brutale Weise wurden diese Menschen neu editiert, wobei CY seinen Kerncode einschleuste und sie dadurch dazu brachte, präparierte Virenschutzprogramme aufzurufen, diese Programme auf jeden Assembler, den sie fanden, heraufzuladen und dort laufen zu lassen. CY verbreitete sich über die Netzverbindungen der Menschen. Und in diesem Gemeinwesen funktionieren unsere Netzverbindungen nicht richtig, stimmt’s? Hm. Die neuen A-Tore sind zwar anders als die alten, aber auch sie stellen eine Monokultur dar, genau wie diejenigen, die dazu geschaffen wurden, der Infektionsstrategie von CY einen Strich durch die Rechnung zu machen.
    Der Assembler im Keller der Bücherei, der vielfältigen militärischen Zwecken dienen kann, geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Irgendein Bindeglied fehlt mir hier, irgendetwas, das meine bisherigen Informationen nicht vollständig abdecken können.
    Ich bin fertig angezogen, um zur Arbeit zu gehen, stehe in der Küche und halte einen Kaffeebecher in den Händen, ohne mich daran erinnern zu können, wie ich hier gelandet bin. Einen Moment lang schaudert es mich, denn ich spüre eine Art namenloses Entsetzen. Habe ich mich gerade, innerlich völlig weggetreten, angezogen, bin nach unten gegangen und habe mir Kaffee gemacht, während ich mich gleichzeitig bemüht habe, den wahren Zweck dieser Einrichtung zu erfassen? Oder geht da noch Schlimmeres vor sich? Die Tatsache, dass ich die Wörter »ich liebe dich« lesen kann, sie aber als »* * *« höre, lässt vermuten, dass mit meinem Sprachzentrum irgendwas nicht stimmt. Falls ich unter Gedächtnisausfällen leide, bin ich möglicherweise ziemlich krank, ernsthaft krank. Als mir bewusst wird, dass ich vielleicht drauf und dran bin, mich aufzuribbeln wie ein Strickpullover, der an einem Nagel hängen geblieben ist, bricht mir im Kreuz der kalte Schweiß aus. Ich weiß ja, dass in meinem Gedächtnis dort, wo Verbindungen zwischen Vorstellungen und Erfahrungen durchtrennt wurden, große Lücken klaffen. Aber was ist, wenn schon allzu viel verloren gegangen ist? Kann dann der Rest von mir einfach so verschwinden? Werden mein Sprachvermögen, mein Erinnerungsvermögen, meine Wahrnehmung mich aufgrund der weitreichenden Löschung meines Gedächtnisspeichers nach und nach im Stich lassen?
    Nicht zu wissen, wer man ist, ist noch schlimmer, als nicht zu wissen, wer man war.
    So schnell ich kann, verlasse ich das Haus (Sam da oben schläft immer noch) und gehe zu Fuß zur Arbeit. Wie üblich ist es warm draußen - offenbar beginnt jetzt die programmierte Jahreszeit »Sommer« -, und ich komme gut voran, auch wenn ich in Gegenrichtung zur üblichen Route laufe. Ich habe nämlich vor, eine Schleife zu drehen und mich von hinten, auf einer anderen Straße als sonst, dem Stadtviertel zu nähern, in dem die Bücherei liegt.
    Bald darauf schließe ich die Bücherei auf, die sauber und ordentlich wirkt. Vermutlich hat hier ein Zombie Dienst, wenn weder Janis noch ich da sind, ein Hausmeister, der auch sauber macht. Ich steuere den Aufenthaltsraum an, um mich mit einem weiteren Kaffee zu stärken, ehe Fiore hier auftaucht. Während ich darauf warte, dass das Wasser kocht, erlebe ich eine Überraschung.
    »Janis! Was machst du denn hier? Ich dachte, du wärst krank.«
    »Ich fühle mich schon viel besser«, erklärt sie mit mattem Lächeln.

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