Glashaus
Feilspäne gemischt. In ihrer Hülle aus Kerzenwachs stellt diese Mischung eine primitive Sprengladung dar. Einen Brocken bringe ich über dem Verriegelungsmechanismus der Luke an (der leider fest im Beton verankert ist). Gleich darauf halte ich mein Feuerzeug darunter, ziehe die Hand sofort zurück und drehe mich hastig um. Obwohl ich meine Augen fest zudrücke, ist das aufflammende Licht so grell, dass es mich blendet und den Umriss meines Arms beim Nachglühen purpurrot nachzeichnet. Als ein lautes Sprudeln und Zischen zu hören ist, zähle ich langsam bis dreißig, drehe mich danach um und drücke heftig gegen die Tür. Einen Moment lang weigert sie sich nachzugeben, doch dann geht sie leise auf. Anstelle des Schlosses prangt jetzt ein glühendes Loch in dem teilweise freigelegten Türrahmen. Ich kann nur hoffen, dass wir nicht so bald einen Druckabfall erleben.
Als ich durch die Luke trete und mich umsehe, merke ich, dass ich mich in einem kleinen Raum befinde, den größtenteils eine primitive Maschine einnimmt. Mein Blick fällt auf Gasflaschen, Radachsen und mechanische Absperrvorrichtungen. All das wirkt wie aus der Steinzeit und ganz so, als müsste man es mit Hilfe von Werkzeugen aus dem Eisenwarenladen warten. Vielleicht ist die Maschine wirklich uralt? Ich kratze mich am Kopf. Falls dieses Habitat ursprünglich einem nostalgischen Kult gedient hat und so konfiguriert war, dass es einem der Gemeinwesen auf der alten Erde ähnelte, muss es für Yourdon und Fiore ziemlich leicht gewesen sein, es auf ihre Zwecke zuzuschneiden, oder? Vielleicht hat mein altes Ich genau das gemeint, als es sagte, dieser Ort weise genau die Eigenheiten auf, die Yourdon und Fiore benötigten. Seltsamerweise ist in die Wand eine fest verschraubte Leiter eingelassen, und im Boden entdecke ich eine Luke. Als ich hinübergehe, merke ich, dass sie durch ein Stellrad gesichert ist, aber es ist nicht allzu schwer, es zu drehen. Es dauert nicht lange, bis sich der Lukendeckel hebt, zur Seite bewegt und eine leichte Brise zu spüren ist.
Hm. Der Druck weist Schwankungen auf, allerdings keine kritischen. Das bedeutet, dass bestimmte Zugänge offen sein müssen. Vielleicht liegt unter mir eine ganze Ebene. Aber ich habe gesagt, ich würde nach oben gehen, stimmt’s? Also mache ich mich daran, die Leiter hinaufzusteigen. Auch in die Decke ist eine Luke eingelassen, die durch ein Stellrad gesichert ist. Diesmal brauche ich länger, bis sich der Deckel bewegt. Allerdings ist er innen mit einem Federmechanismus versehen, der ihn anhebt und die Öffnung freigibt. Das nenne ich ein ausgeklügeltes Design! Sie gehen also davon aus, dass ein plötzlicher Druckabfall nur von außen ausgelöst werden kann. Und das bedeutet in einem rotierenden Zylinderhabitat wie diesem von unten , deshalb kann man eine Luke, die nach unten führt, nur mit brachialer Gewalt öffnen. Dagegen sind Luken, die nach oben führen, mit einem Hilfsmechanismus ausgestattet, der die Flucht vom Explosionsherd weg erleichtern soll. Mir gefällt diese Philosophie: Meine Güte, wie wird sie mir das Leben erleichtern …
Ich klettere in den Schacht, lege gleich darauf eine kurze Pause ein, um die Taschenlampe einzuschalten, und steige danach durch die Luke. Gleich darauf verlasse ich die Leiter, trete zur Seite und schließe die Luke hinter mir. Jetzt befinde ich mich am Boden eines anderen dunklen Schachts, in dem nur noch die Leiter zu sehen ist. Allerdings zeichnen sich an manchen Stellen hoch über mir Schatten ab. Der Schacht, den ich hinter mir gelassen habe, hätte nach unten anstatt nach oben geführt. Ich hoffe nur, dass ich in diesem Schacht weiter oben auf Türen stoße. Und dass diese Türen nicht alle verrammelt sind, in Zonen ohne Sauerstoff führen oder sonstige unangenehme Überraschungen für mich bereithalten. Denn nachdem ich nun schon so weit gekommen bin, wäre das wirklich ein Scheißpech.
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die klettertour
DAS DEM OBERKOMMANDO UNTERSTELLTE BATAILLON schickt mich nicht auf direktem Wege zum Führungsstab. Erst muss ich ein A-Tor passieren und stecke anschließend wieder in meinem ursprünglichen menschlichen Körper. Ich fühle mich klein und unglaublich zerbrechlich, aber auch sehr lebendig. Es ist eine schockierende Erfahrung, die mich später an meine Ankunft im YFH-Gemeinwesen erinnern wird. Nach der Reanimation zerlegt man mich, spaltet mich in schätzungsweise 2 24 Datenpakete auf und übermittelt diese mit Hilfe von T-Toren rasend
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