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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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mir die letzte halbe Minute meines Lebens immer wieder ansah. Kopfschüttelnd begab ich mich ins A-Tor, um unten im Café am steinigen Seeufer zu Füßen des Wasserfalls wieder in meine menschliche Gestalt zurückzukehren. Lange verweilte ich dort und fragte mich dabei immer wieder, was das da oben für ein Gefühl gewesen sein musste. Der heiße, dumpfe Schmerz in meiner Mittelhand, der Absturz, die peitschende Kälte des Windes, die Gewissheit, dass ich sterben würde …
    Und ich fragte mich, ob ich es je wirklich herausfinden würde.
    Das alles ist schon lange her. Seitdem haben die in topologischer Hinsicht haarsträubenden Großtaten, die ich zusammen mit den Linebarger Cats beging - ganz zu schweigen von zunehmender Lebenserfahrung und zunehmendem Zynismus - mir gezeigt, wie sehr die Möglichkeit, die Raumzeit zu krümmen und zu verzerren, unsere Fähigkeit zum Verständnis der von uns bewohnten Gebilde beeinträchtigt hat. Stets hat die Architektur die soziale Organisation beeinflusst oder auch gelenkt, aber in Gemeinwesen, die durch T-Tore miteinander verbunden sind, stellt sie weit mehr dar: Mittlerweile bestimmen die Architekten über unser Schicksal.
    Die große Mehrheit von uns lebt mittlerweile in den eisigen Tiefen des Raums, in sich drehenden Zylindern archaischen Designs, die Braune Zwerge umkreisen oder die äußeren Gasriesen von Sonnensystemen, in denen sich keine Welt bilden könnte, die auch nur entfernt der längst zerlegten Erde ähnelt. Meistens achten wir gar nicht auf die grundlegenden Strukturen der für Menschen bewohnbaren Räume, außer wenn sie uns Ungelegenheiten machen und wir sie reparieren oder austauschen müssen. Sie sind die leeren Bühnen, auf der wir die Finessen unserer großen, mit vielen Zimmern ausgestatteten Häuser zur Schau stellen. Zwar sind diese Zimmer nur durch Löcher im Raum miteinander verbunden, doch diese nehmen den dazwischen liegenden Lichtjahren der Dunkelheit jede Bedeutung …
    Bis man eines Tages versucht, einen der Notausstiege hinaufzuklettern, der eigentlich nur als Schacht für Wartungspersonal gedacht ist. Dabei erfährt man etwas über die Struktur von Habitaten.
    Die Leitersprossen sind entgegen der Drehrichtung des Habitats in der inneren Schachtwand verankert und führen in die unendliche Dunkelheit hinauf, die, wie ich bei jedem Blick nach oben merke, das Licht meiner Taschenlampe schluckt. Unter mir fällt der Schacht steil ab, bis zu einem Fußboden, der genauso gnadenlos wie der Felsen am Fuße jenes Wasserfalls wirkt. Ich klettere stetig voran und gebe mir selbst ein bestimmtes Tempo vor. Der Krümmungsradius der Habitatabschnitte im YFH-Gemeinwesen ist so gering, dass dieses Gebilde, sollte es ein einzelner Zylinder sein, einen Durchmesser von mehreren Kilometern haben muss. Das Dach unseres Habitats liegt so hoch, dass selbst das höchste - vierstöckige - Gebäude im Stadtkern nicht heranreicht, doch über diese Höhe bin ich längst hinaus. Und nach wie vor sind keine Anzeichen für irgendwelche Ausgänge zu sehen.
    Auf der zweihundertsten Sprosse bleibe ich stehen und ruhe mich aus. Meine Arme sind bereits wund, und die Muskeln protestieren. Hätte ich nicht wochenlang trainiert, wäre ich schon halb tot. Ich habe keine Ahnung, wie weit ich noch klettern muss, und im Bauch ein ungutes Gefühl. Was, wenn ich mich geirrt habe? Ich gehe davon aus, dass das YFH-Gemeinwesen tatsächlich das ist, was es zu sein vorgibt - ein Habitat aus mehreren Sektoren, die durch T-Tore miteinander verbunden sind. Verschachtelt mit anderen Teilen eines in sich geschlossenen Gemeinwesens, das sich über mehrere Habitate im realen Raum erstreckt. Aber was ist, wenn sie den Zugang zum restlichen Netzwerk nicht nur blockiert haben, sondern noch weitergegangen sind? Schließlich war es früher ein gläsernes Hochsicherheitsgefängnis. Was, wenn sich mein blinder Passagier in dem entscheidenden Punkt geirrt hat und wir in Wirklichkeit an einem vom Rest abgetrennten, abgeschiedenen Ort gestrandet sind? Vielleicht gibt es gar keinen Weg hinaus.
    Aber zurück kann ich auch nicht. Inzwischen muss Yourdon herausbekommen haben, dass ich ausgerissen bin. Also wird er die Zombies mobilisieren, um mich wie eine Ratte, die von einer Ameisenarmee in die Enge getrieben wird, zur Strecke zu bringen. Sam, der bestimmt niemanden bei sich hat, wird sich fragen, was passiert ist, mit jedem Tag einsamer und depressiver werden und langsam, aber sicher ausrasten. Früher oder

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