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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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unsere kleine Gemeinde einzufügen und dort Ihren Platz zu finden, Reeve. Und das hat denen unter uns, die ein Auge auf solche Dinge halten, einige Sorgen bereitet. Ich habe - darf ich ganz offen sein? - sogar befürchtet, Sie könnten zu den Unverbesserlichen gehören und einen zersetzenden Einfluss auf die anderen ausüben. Andererseits meinen Sie es offensichtlich gut und kümmern sich um Ihre Nachbarn …« Ein schwer zu deutender Ausdruck huscht über das Gesicht mit den Hamsterbacken. »Also versuche ich mir zu sagen: im Zweifel für den Angeklagten. Ruhen Sie sich jetzt aus. Wir setzen unser kleines Gespräch später fort, wenn Sie sich besser fühlen.«
    Bemüht würdevoll, wie es typisch für ihn ist, richtet er sich auf und wendet sich um, während ich schon wieder fröstele. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Kommt mir so vor, als wüsste er gar nicht, dass ich ihn umgebracht habe! Ich kann mir zwar vorstellen, dass Fiore mehrere Verkörperungen von sich laufen hat, aber mittels ihrer Netzverbindungen müssten sie doch eigentlich voneinander wissen, oder nicht? Meine Güte, hat er denn gar nicht …
    »Sie«, würge ich heraus.
    »Ja?«
    »Sie.« Es fällt mir schwer, Wörter zu bilden. Ich fühle mich wirklich fiebrig. »Was ist, was ist …«
    »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!« Wenn er sich ärgert, steigt seine Stimme zu einem nervenden Gequengel an. Er streicht sein Priestergewand glatt. »Schwester? Schwester, hören Sie?! - Ich werde nach Ihrem Ehemann schicken lassen«, fährt er in ruhigerem Ton fort. »Sicher haben Sie viel zu bereden.« Danach dreht er sich abrupt um und marschiert wichtigtuerisch auf die anderen belegten Betten der Station zu.
    Ich merke, dass meine Zähne aufeinanderschlagen, weiß aber nicht, ob das am Fieber oder an meinem düsteren, hilflosen Zorn liegt. Ich hab dich umgebracht. Und du hast es nicht mal gemerkt! Gleich darauf stapft die Schwester in ihren praktischen Schuhen auf mein Bett zu, in den Händen irgendein primitives Diagnoseinstrument, und ich merke, dass ich mich echt beschissen fühle.

    Die Zombie-Schwester führt einen Test mit mir durch, was bedeutet, dass sie mir ein kaltes Glasröhrchen ins Ohr schiebt und mir aus nächster Nähe in die Augen starrt. Danach holt sie ein kleines Gefäß heraus und gibt mir etwas, das ich zunächst für einen Bonbon halte, bis ich merke, wie scheußlich es schmeckt. Das Krankenhaus ist so eingerichtet, dass es einer echten medizinischen Einrichtung der dunklen Epoche ähnelt; allerdings sind die Verantwortlichen glücklicherweise wohl doch nicht so weit gegangen, auch noch Blutegel einzusetzen, Herztransplantationen vorzunehmen und ähnlich barbarische Dinge einzuführen. Ich nehme an, das hier ist irgendein Medikament, das mit großem Kostenaufwand synthetisiert wurde und dazu dienen soll, auf merkwürdig ungezielte Art auf mein Stoffwechselsystem einzuwirken. »Versuchen Sie zu schlafen«, ermahnt mich die Schwester. »Sie sind krank.«
    »K... kalt«, flüstere ich.
    »Versuchen Sie zu schlafen, Sie sind krank.« Aber wenigstens bückt sich die Schwester jetzt und zaubert eine leichte Überdecke hervor. »Und trinken Sie viel.« Das Glas auf dem Nachttisch ist leer. Aber ich fröstele sowieso viel zu sehr, um einen Arm unter der Decke hervorzuziehen. »Sie sind krank.«
    Das kann man wohl sagen. Es sind nicht nur meine Arme und Beine (alle Gelenke tun mir höllisch weh, genauso wie all die Muskeln, auf die ich jetzt gut und gern verzichten könnte), auch mein Kopf dröhnt. Außerdem fühle ich mich so, als müsste ich erfrieren, und meinem Magen geht es auch nicht gut. Hinzu kommen die wiederkehrenden Blackouts und der Gedächtnisausfall. »Was ist mit mir los?«, frage ich, was mich große Anstrengungen kostet.
    »Sie sind krank«, wiederholt der Zombie. Es hat keinen Zweck, mit der Schwester herumzustreiten: In ihrem Kopf ist niemand zu Hause, und ihr fehlt jedes menschliche Einfühlungsvermögen, da sie nur aus einem Bündel von Reflexen und eingespeisten Dialogmustern besteht. »Wen kann ich fragen?«
    Zwar wendet die Schwester sich ab, doch offenbar habe ich ein neues Reaktionsmuster bei ihr aktiviert. »Die Fachärztin macht heute Abend um acht Visite bei Ihnen. Sie müssen alle Fragen an die Ärztin richten. Die Patientin ist noch schwach und darf nicht über Gebühr gestört werden. Trinken Sie viel.« Sie greift nach einem leeren Krug, den ich noch nicht entdeckt hatte, entführt ihn kurz ans andere

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