Glashaus
ermutigt sie mich, ihr recht zu geben. Ich ertappe mich dabei, dass ich wider besseres Wissen bestätigend nicke.
»Aber diese Fehler …« Ich weiß nicht genau, ob ich fortfahren soll.
»Ja?« Sie beugt sich vor.
»Wie geht es Cass?«, zwinge ich mich zu fragen.
Dr. Hantas Gesicht, das bis jetzt offen und freundlich gewirkt hat, verschließt sich so plötzlich wie eine Falltür. »Warum fragen Sie danach?«
Ich befeuchte nochmals die Lippen. »Ich muss was trinken.« Dr. Hanta rutscht vom Hocker herunter, geht mit großen Schritten um mein Bett herum, gießt den Rest des Wassers aus dem Krug in mein Glas und reicht es mir wortlos. Ich schlucke. »Vermutlich war das einer von Fiores kleinen Fehlern.« Eigentlich wollte ich das in lockerem Ton bemerken, aber unwillkürlich trieft meine Stimme vor Sarkasmus.
»Allerdings.« Dr. Hanta sieht sich um, blickt zum anderen Ende des Krankenzimmers hinüber - auf etwas, das ein Vorhang vor mir verbirgt. Wieder läuft mir ein Schauer über den Rücken, nur liegt es diesmal nicht am Schüttelfrost. »Nur würde ich es nicht als einen seiner kleinen Fehler bezeichnen.« Ihr Ton ist zwar trocken, aber es schwingt darin etwas derart Düsteres mit, dass ich froh bin, ihr nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Doch als sie sich mir zuwendet, ist ihr Gesichtsausdruck wieder völlig gelassen. »Cass wird wieder gesund, meine Liebe.«
»Und Mick?«, hake ich nach.
»Darüber diskutieren wir noch.«
»Diskutieren … Haben Sie auch das, was mit Esther und Phil geschah, vorher diskutiert?«
»Reeve«, sie erdreistet sich tatsächlich, Bestürzung zu heucheln, »nein, haben wir nicht. Jemand hat sich böse vertan. Als wir die Primärquellen der dunklen Epoche heranzogen, haben wir festgestellt, dass das, was Esther und Phil getan haben, gar nicht so ungewöhnlich war. Und Sie haben recht: Man hat dem, was … äh … die beiden getan haben, allzu viel Gewicht zugemessen … Major Fiore hat die Stimmung der Menge falsch eingeschätzt. Es wird nicht wieder geschehen. Wir haben aus dieser Erfahrung gelernt, außerdem auch aus …« Sie schluckt und deutet mit dem Kinn fast unmerklich auf den Vorhang im hinteren Teil des Raums. »Für den Fall, dass ein Ehepaar nicht miteinander auskommt, werden wir eine bestimmte Prozedur schaffen. Eine Prozedur, die eine formelle und gesellschaftlich akzeptierte Trennung erlaubt. Wir sind keine bösen Menschen. Das hier ist ein auf längere Dauer angelegtes Experiment, und wenn Sie, wenn alle hier unglücklich sind, kann das Gemeinwesen nicht gedeihen und das Experiment nicht funktionieren.«
Nicht funktionieren. Während ich sie ansehe, frage ich mich zwangsläufig, ob das ihr Ernst ist. Fiore und Yourdon sind derart zynisch, dass es mich unwillkürlich bestürzt, auf ein Mitglied ihres Teams zu stoßen, das offenbar an seine Mission glaubt. Plötzlich bin ich entsetzt. Ihre Ehrlichkeit empfinde ich als ähnlich schockierend, wie die Zombies von der Polizei den öffentlichen Auftritt einer Stripperin empfinden müssen.
»Ah, ich glaube, ich verstehe.« Als ich den Kopf schüttle, seufze ich auf, denn mein Hals schmerzt. »Aber solange Mick hierbleibt, werden einige von uns keineswegs glücklich sein.«
»Oh, mit Mick werden wir auf die eine oder andere Art schon fertig, meine Liebe.« Gleich darauf meldet sich ihr Merkurstab mit einem Pfeifton. Während sie weiterredet, hantiert sie damit herum. »Ich halte seine psychischen Schäden nicht für unheilbar. Wahrscheinlich ist es nicht einmal nötig, ihn aus seinem Back-up zu rekonstruieren, und das ist im Augenblick auch besser so. Allerdings werde ich Micks Motivationsmuster von Grund auf ändern müssen.« Mit gerunzelter Stirn mustert sie die Schlangenköpfe des Merkurstabs, ohne sich näher über Mick auszulassen. »Cass wird … wieder gesund. Derzeit behandle ich ihre körperlichen Verletzungen. Sobald es ihr besser geht, werde ich sie fragen, welche Identität sie annehmen möchte.« Sie schweigt kurz. »Die meisten medizinischen Vereinigungen würden, wenn sie es mit einer so schlimm verletzten Patientin zu tun hätten, einen sehr weitreichenden Eingriff in die Erinnerungen verschreiben. Oder aber sie würden diese Verkörperung der Person einfach liquidieren und eine andere aus dem Back-up rekonstruieren. Aber ich halte nichts davon, einen so schwerwiegenden Schritt ohne Berücksichtigung von Cass’ eigenen Wünschen zu genehmigen.« Wieder verstummt sie abrupt. Kurz darauf merke ich,
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