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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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dass sie mich anstarrt.
    »Was ist los?«
    »Wir müssen über Ihre Blackouts reden.«
    »Meine was ?« Ich beiße mir auf die Zunge, doch es ist ein bisschen zu spät, die Dumme zu spielen.
    Dr. Hanta zieht eine Augenbraue hoch und verschränkt die Arme. »Ich bin ja nicht blöde, wissen Sie.« Sie wendet den Blick ab, als wären ihre Worte an jemand anderen gerichtet. »Jeder hier drinnen hat sich einer Neubearbeitung und neuen Gewichtung seiner Persönlichkeit und der Löschung bestimmter Erfahrungen unterzogen, ehe wir ihn - oder sie - rekrutiert haben. Einer der Gründe dafür, dass dieses Gemeinwesen ärztliche Aufsicht braucht, besteht darin, dass man mit Identitätskrisen rechnen muss. Die meisten Menschen hegen gewisse Vermutungen darüber, wer sie früher waren und warum sie sich für einen Eingriff in die Erinnerungen entschieden haben. Hin und wieder haben wir hier auch jemanden, der sich nicht daran erinnert. Bei solchen Menschen gibt es etwas, das sie so tief begraben wollten, dass sie nicht einmal mehr wissen, worum es dabei ging. Irgendetwas, das sie gequält hat. Aber normalerweise erlebe ich es nicht, dass … Also gut! Seit Ihrer Einlieferung ins Krankenhaus haben Sie zweimal Aussetzer gehabt, wussten Sie das? Während des letzten Blackouts habe ich Ihren Ehemann dazu befragt, und er sagte, sie hätten jetzt immer häufiger darunter zu leiden.«
    Sie beugt sich zu mir, die Hände in die Achselhöhlen vergraben, als wolle sie sich selbst umarmen. »Ich mag mich ja nicht aufdrängen, wo ich nicht erwünscht bin, aber das klingt ganz danach, dass Sie tatsächlich sehr dringend Hilfe brauchen. Offenbar haben Sie nicht gut auf die Dämpfungsmittel reagiert, die die Klinik Ihnen verabreicht hat. Ohne gründliche Untersuchung kann ich zwar nichts Definitives sagen, doch es besteht auf jeden Fall die Gefahr, dass Sie auf eine Krise zusteuern. Ich möchte ja nicht den Teufel an die Wand malen, aber im schlimmsten Fall könnten Sie … nun ja, all das verlieren, was Ihre Persönlichkeit ausmacht. Angenommen, Sie leiden unter einer Erkrankung, bei der Ihr eigenes Immunsystem Antikörper gegen körpereigene Stoffe bildet, könnten Sie eine progressive Amnesie entwickeln und wären überhaupt nicht mehr in der Lage, neue mnemonische Strukturen aufzubauen. Ihren Unterlagen habe ich entnommen, dass Ihr Immunsystem verstärkt wurde. Das heißt, die Proteine in Ihrem Blutserum werden durch Antikörper schneller als üblich aktiviert und fremdartige Zellen, wie zum Beispiel Bakterien, schneller als üblich zerstört. Aber manchmal irren sich die Bayes-Klassifikatoren auch, sodass die falschen Ziele angegriffen werden. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass ein früherer Eingriff in Ihr Langzeitgedächtnis ohne die nötige Sorgfalt durchgeführt wurde. Das heißt, es sickern immer noch Erinnerungen durch, und die mehr oder weniger zufälligen Inkonsistenzen in Ihrem Gedächtnis bewirken die Aussetzer. In diesem Fall werden sich die Beschwerden mit der Zeit legen, auch wenn es für Sie bis dahin nicht gerade angenehm werden wird. Allerdings kann ich Ihnen keine Prognose liefern, geschweige denn Ihre Krankheit behandeln, wenn Sie nicht einmal zugeben wollen, dass da ein Problem besteht.«
    »Oh.« Ich brauche ein Weilchen, um das alles zu verdauen. Aber Hanta hat bemerkenswert viel Geduld mit mir und wartet einfach ab, solange ich darüber nachdenke. Wüsste ich es nicht besser, könnte ich schwören, dass sie mich wirklich mag. »Ein Problem«, wiederhole ich, unsicher, wie viel ich ihr verraten soll. Plötzlich habe ich wieder einen Anfall von Schüttelfrost, der mir mit eiskalten Fingern über den Rücken fährt, sodass ich unkontrolliert zittere.
    »Da wir gerade von Problemen reden …« Hanta streckt den Merkurstab hoch. »Das hier wird wehtun, aber nur kurz und längst nicht so schlimm, als wenn die Mecha-Seuche Sie bei lebendigem Leib auffressen würde.«
    Mit leichtem Lächeln hält sie den Merkurstab an meine Schulter. Trotzdem stöhne ich auf, als die Nattern zustoßen - ein Gefühl, als würden sich spitze kleine Zähne in meine Schulter bohren. Sie pumpen Substanzen in meinen Blutkreislauf, die eine durch das Antigen stimulierte Reaktion des Immunsystems noch verstärken, kräftigen meine körpereigene Abwehr so, dass sie mit der Pest fertig werden kann. Ich bemühe mich, nicht zu stöhnen.
    »Es wird einige Zeit dauern, bis die Infektion abklingt. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Pestbakterien

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