Glashaus
vor Verlegenheit übel ist. Ich und mein loses Mundwerk … Am liebsten würde ich ihr nachrennen und mich entschuldigen, doch das würde das Missverständnis nur noch schlimmer machen, oder? Dummkopf, sage ich mir. Sie hat recht: Sie könnten dieses Gemeinwesen gar nicht ohne eine ärztliche Aufsicht betreiben, der das Wohlergehen der Versuchspersonen am Herzen liegt. Und ich habe gerade das einzige Mitglied des Leitungsteams vor den Kopf gestoßen, das möglicherweise auf meiner Seite steht. Dr. Hanta hätte mir dabei helfen können herauszufinden, wie ich mich hier besser einfügen kann, und stattdessen … Mist, Mist, Mist.
Eigentlich bin ich hier fertig. Also stehe ich auf und krame in der Reisetasche herum, die Sam mir gestern Abend dagelassen hat. Sie enthält Unterwäsche, ein Kleid mit Blumenmuster und Riemchensandalen, aber meine Handtasche hat er vergessen. Nun ja, immerhin hat er sein Bestes versucht, das muss ich anerkennen. Ich mache mich zurecht und gehe, nachdem ich abgewartet habe, bis Dr. Hanta von der Krankenstation verschwunden ist, nach unten, zum Empfang. Dabei komme ich an der anderen Krankenstation vorbei, der ENTBINDUNGSSTATION, wie ein Schild besagt. Sicher wird sie in wenigen Monaten stark belegt sein, doch im Augenblick liegt sie verlassen da und wirkt nur deprimierend. Mit schwungvollem Schritt marschiere ich zum Empfang hinüber. »Ich verlasse die Klinik«, sage ich.
Der Zombie am Empfang nickt. »Mrs Reeve Brown verlässt diese Einrichtung auf eigenen Wunsch«, leiert er herunter. »Schönen Tag noch.«
Das Krankenhaus liegt an der Hauptstraße, zwischen einer Passage mit Geschäften und einer Gebäudezeile mit Büros. Es ist ein sonniger, warmer Tag, und meine Laune hebt sich, als ich ins Freie trete. Ich fühle mich munter und innerlich leer, leicht wie eine Feder und völlig sorgenfrei. Zumindest für den Augenblick, murmelt ein eigensinniger, eher düster gestimmter Teil von mir. Doch bald darauf habe ich den Eindruck, dass selbst der Teil von mir, der stets auf der Hut ist, die Bedenken seufzend und mit einem Achselzucken abtut. Trotz allem kann ich den freien Tag genauso gut genießen und mich erholen. Fiore hat mich tatsächlich von der Angel gelassen, und dafür habe ich Dr. Hanta zu danken. Jetzt liegt die Entscheidung bei mir: Ich kann mich entweder weiterhin gegen das Unvermeidliche wehren und um mich schlagen oder nach Hause gehen und mich ein paar Tage erholen - einfach mitspielen und zur Ruhe kommen. (Außerdem erspare ich mir in diesem Fall die unerwünschte Aufmerksamkeit von Fiore und den punktegeilen Huren; ich kann einfach so tun, als amüsierte ich mich, und das Ganze wie ein Spiel behandeln. Im Übrigen will ich mich ja auch an Jen rächen, wie mir einfällt. Und die beste Möglichkeit dazu besteht darin, sie in ihrem eigenen Spielchen zu schlagen. Später kann ich immer noch überlegen, wie ich hier rauskomme.) In der Zwischenzeit sollte ich wirklich versuchen, die Situation mit Sam zu klären, denn es gefällt mir gar nicht, dass wir uns aufgrund von Paranoia und Angst offenbar immer weiter voneinander entfernt haben.
Erst nach drei Stunden nehme ich ein Taxi nach Hause, was vor allem daran liegt, dass ich an einem Schönheitssalon für Damen vorbeikomme und hineingehe. Ich lasse mir das Haar machen und bummle anschließend noch durchs Kaufhaus. Im Salon und Kaufhaus bedienen nach wie vor nur Zombies, was nervt, aber zumindest belästigen sie mich nicht. Neue Klamotten brauche ich tatsächlich - ich habe keine Ahnung, was mit den Sachen passiert ist, die ich bei der Klettertour getragen habe -, außerdem kann ich, wenn ich mich modisch kleide, auf angenehme, leichte Art Punkte machen, und die kann ich jetzt brauchen. Zwischen den Einkäufen lande ich am Kosmetikstand. Das Geschäft ist menschenleer, und ich möchte Sam gern überraschen, deshalb harre ich hier aus, bis der hilfreiche Zombie mir mit übermenschlicher Geschwindigkeit ein neues Make-up verpasst hat. Die Leute in der dunklen Epoche mögen zwar nur wenig über umformende Nanotechnologie gewusst haben, aber sie kannten sich gut darin aus, natürliche Produkte zur Veränderung ihres Aussehens zu nutzen. Als die Kosmetikerin fertig ist, erkenne ich mich im Spiegel selbst kaum wieder.
Es geht mir noch immer nicht besonders gut, und ich muss feststellen, dass ich viel leichter als gedacht ermüde. Deshalb beende ich meinen Einkaufsbummel, sorge dafür, dass mir meine Einkäufe nach Hause geliefert
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