Glashaus
ist es nicht Janis’ Schuld. Aber Sam, dieses Schwein, hätte es besser wissen müssen. »Wir werden die Sache schon bereinigen«, setze ich nach, um sie zu beruhigen.
»Ich … verstehe.« Janis sieht so aus, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Als das Wasser kocht, steht sie auf, gießt das heiße Wasser in zwei Becher, gibt jeweils einen Löffel Trockenmilch hinzu und verrührt es mit dem Pulverkaffee. »Ich hoffe, du verstehst das nicht falsch, Reeve, aber mir kommt’s so vor, als hättest du dich seit deiner Entlassung aus dem Krankenhaus verändert. Du bist eigentlich gar nicht mehr du selbst gewesen.«
»Hm? Was meinst du damit?« Ich blase auf meinen Kaffee, um ihn abzukühlen.
»Ach, Kleinigkeiten.« Sie sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an. »Du legst jetzt eine gewisse Begeisterung an den Tag, bist mehr an äußeren als an inneren Dingen interessiert. Und anscheinend ist dir auch der Sinn für Humor abhanden gekommen.«
»Was hat Humor damit zu tun?« Finster blicke ich auf meinen Becher und versuche, nicht wütend zu werden. »Ich weiß, wer ich bin, und ich weiß, wer ich war.«
»Vergiss, dass ich das gesagt habe.« Janis seufzt. »Tut mir leid, ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Derzeit bin ich manchmal wirklich zickig.« Sie schweigt kurz. »Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich dich ein paar Stunden allein lasse.«
Ich ringe mir ein Lachen ab. Eigentlich gehen Janis’ Angelegenheiten mich ja nichts an, aber … »Wozu sind Freunde denn da?«
Sie sieht mich seltsam an. »Danke.« Als sie einen Schluck Kaffee trinkt, zieht sie eine Grimasse. »Die Brühe schmeckt wirklich scheußlich; ich kann mir nur eines vorstellen, was noch schlimmer wäre, nämlich gar keinen Kaffee dazuhaben.« Ihr Blick ist immer noch finster. »Ich bin spät dran. Sehen wir uns gegen Mittag?«
»Klar doch«, erwidere ich, während sie aufsteht, ihre Jacke vom Türhaken holt und verschwindet.
Nachdem ich meinen Kaffee ausgetrunken habe, gehe ich wieder zum Empfang hinüber. Es ist einiges an Ablage zu erledigen, aber das Putzgeschwader der Zombies ist gründlich vorgegangen und hat mir nicht einmal ein paar staubige Regalbretter zum Abwischen hinterlassen. Zwei gelangweilte Büroangestellte schauen vorbei, um Bücher zurückzugeben und die Regale nach irgendeiner unterhaltsamen Lektüre für die Mittagspause zu durchstöbern, aber ansonsten tut sich nichts. Deshalb sitze ich immer noch am Empfang und überlege gerade, ob man das Regal, in dem wir die Mahnungen sammeln, nicht übersichtlicher gestalten könnte, als die Eingangstür aufgeht und Fiore hereinkommt.
»Ich habe gar nicht mit Ihnen gerechnet«, sagt er, während er die Glupschaugen argwöhnisch zusammenkneift.
»Ach nein?« Ich springe vom Hocker und lächle ihn an, auch wenn meine Instinkte mir dringend zur Vorsicht raten.
»Nein, wirklich nicht.« Er schnaubt. »Ist die andere Bibliothekarin, Janis, auch da?«
»Heute Morgen ist sie unterwegs, aber später wird sie da sein.« Als ich ihn ansehe, empfinde ich ein entsetzliches Déjà-vu; es ist so, als durchlebte ich nochmals eine Szene aus einem Albtraum.
»Hm. Wenn ich Sie damit belästigen darf, sich umzudrehen: Ich muss etwas im Archiv erledigen. - Und ich will nicht gestört werden«, setzt er mit erhobener Stimme nach.
»Aha, in Ordnung.« Unwillkürlich weiche ich einen Schritt zurück. Fiore hat irgendetwas an sich, das mir irgendwie falsch vorkommt - sein Blick wirkt unstet und angespannt. Und plötzlich ist mir deutlich bewusst, dass wir allein sind und er doppelt so viel wiegt wie ich. »Werden Sie lange bleiben?«
Seine Augen huschen zu einem Punkt jenseits meiner Schulter. »Nein, diesmal wird es nicht lange dauern, Reeve.« Gleich darauf dreht er sich um und stapft zur Abteilung Nachschlagewerke und dem speziell gesicherten Dokumentenarchiv hinüber, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Einen Moment lang glaube ich, meine Instinkte hätten mich getrogen. Denn schließlich passt dieses mich herabsetzende Verhalten zu Fiore - einem Mann, der so sehr um sich selbst kreist, dass man sich irgendwann für eine Ausgeburt seiner Fantasie hält, wenn man zu lange mit ihm zusammen ist. Gleich darauf höre ich ihn schnauben, den Schlüssel im Schloss quietschen und die Holzbohlen des Fußbodens knarren. »Sie können ruhig mitkommen. Wir können uns auch da drinnen unterhalten.«
Ich eile ihm nach. »Um welche Sache geht es denn?«, frage ich, während ich
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