Glashaus
fragt er leise.
»Gar nichts.« Wenn er es unbedingt wissen will, kann er sich ja auch in der übrigen Zeit mit mir unterhalten, wenn ich mich einsam fühle.
»Das glaube ich dir nicht.« Als wir ins Taxi steigen, hält er kurz den Mund.
»Dann lass es eben.« Das Taxi fährt los, ohne dass der Chauffeur sich nach unserem Fahrtziel erkundigt. Die Zombies kennen uns alle vom Sehen.
»Reeve.« Während ich ihn ansehe, mustert er mich mit ernster Miene.
»Was?«
»Bitte bring mich nicht so weit, dass ich dich hasse.«
»Zu spät«, erwidere ich bitter. Und jetzt, genau in diesem Moment, stimmt das auch.
17
die mission
ALS ICH AM TAG NACH DEM MORD AUFWACHE, regnet es. Und es regnet - sanft, leicht, aber hartnäckig - auch an jedem weiteren Tag dieser Woche, was perfekt zu meiner Stimmung passt.
Ich habe den Haushalt, um den ich mich kümmern muss, von der Ärztin die Anweisung, mich nicht anzustrengen, muss nicht zur Arbeit in die Bücherei gehen, also sollte ich mich eigentlich ganz wohlfühlen. Schließlich habe ich doch beschlossen, mich hier drinnen wohlzufühlen, nicht wahr? Aber mit Sam hab ich mir’s offenbar verdorben. Außerdem sind rings um mich herum unheimliche, beängstigende Unterströmungen am Werk - ausgelöst von Menschen, die sich für das genaue Gegenteil meiner eigenen Haltung entschieden haben. Wenn ich nicht sorgfältig darauf achte, was ich tue und sage, werden sie sich unverzüglich auf mich stürzen. Jetzt, wo ich Zeit habe, gewisse Dinge zu durchdenken, bin ich überaus froh, dass Fiore mir nicht zugehört hat, als ich ihm von Janis erzählen wollte. Ein Menschenleben ist hier drinnen von Woche zu Woche weniger wert, und Wiederbelebungen sind uns nicht zugänglich, denn es gibt keine Hausassembler, die einem ein tägliches Back-up ermöglichen.
Habe ich wirklich solche Ängste?
Allerdings.
Ich halte bis zum Donnerstagmorgen durch, doch dann habe ich das Gefühl, innerlich zu platzen. Als ich bei Tagesanbruch aufwache (derzeit schlafe ich nicht gut), höre ich Sam im Badezimmer herumhantieren. Durch das Fenster blicke ich auf die Regentropfen, die unentwegt fallen, sodass sie die Vegetation wie ein durchsichtiger Vorhang verhüllen. Und dabei wird mir klar, dass ich das hier nicht mehr ertragen kann. Ich will keinen weiteren Tag allein in diesem Haus verbringen. Zwar weiß ich, dass Dr. Hanta mir geraten hat, die ganze Woche freizunehmen, damit ich mich richtig erhole, aber ich fühle mich gesund. Und wenn ich zur Arbeit gehe, habe ich wenigstens etwas zu tun. Und jemanden, mit dem ich reden kann. Sogar so etwas wie eine Freundin, auch wenn sie sich in letzter Zeit seltsam verhalten hat und ich unserer Begegnung mit einem unguten Gefühl entgegensehe, weil ich nicht weiß, was ich ihr sagen soll.
Ich ziehe mich zur Arbeit an, gehe nach unten und bestelle, wie üblich, ein Taxi. Fast bin ich versucht, zu Fuß zu gehen, aber es regnet, und ich habe mir noch keine regenfeste Kleidung besorgt. Regen an Bord eines Sternenschiffs, wer hätte das je gedacht? Ich warte vorne im Wintergarten, bis das Taxi auftaucht, husche hinüber und lasse mich auf den Rücksitz fallen. »Bringen Sie mich zur Bücherei«, keuche ich.
»Klar doch, Ma’am.« Der Fahrer gibt beim Anfahren ein bisschen mehr Gas, als ich es gewohnt bin. »Würde gern wissen, wann das Wetter mal wieder besser wird.«
Hä? Ich zucke zusammen. »Was haben Sie eben gesagt?«
»Hab von Jimmy - der arbeitet bei den Stadtwerken - gehört, dass sie das wegen eines Problems mit der Kanalisation veranlasst haben. Die müssen die Abwasserkanäle fluten. Übrigens heiße ich Ike. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
Mit Mühe schaffe ich es, meinen Schock über diese Redeflut elegant zu überspielen. »Und ich heiße Reeve. Sind Sie schon lange Taxifahrer?«
Er kichert. »Seit ich hier angekommen bin. Sind Sie Bibliothekarin? Die Bücherei kenne ich noch nicht. Ich kann Sie von hier aus in die Stadt fahren, aber Sie werden mir zeigen müssen, an welcher Straße sie liegt.«
»Ich bin die Suchmaschine.«
»Abgemacht.« Er trommelt einen synkopischen Rhythmus auf das Lenkrad, der dem der Scheibenwischer entspricht, und steuert das Taxi gleich darauf durch eine scharfe Kurve. »Was tut eine Bibliothekarin den ganzen Tag lang?«
»Was tut ein Taxifahrer den ganzen Tag lang?«, gebe ich, immer noch leicht mitgenommen, zurück. Das sind manuelle Bedienungsvorrichtungen! Sie haben einem von uns eine solche Maschine anvertraut
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