Glashaus
könnten wir diese Einschränkungen vermutlich irgendwie kompensieren. Aber Janis meint, dass der Assembler höchstens hundert Kilogramm Rohmaterial pro Stunde einspeisen und verarbeiten kann. Ich vermute, dass Fiore (oder wer auch immer) die Produktionskapazität des Assemblers absichtlich gedrosselt hat, als er ihn im Keller der Bücherei untergebracht hat. Schon deshalb, um jemanden wie mich daran zu hindern, das A-Tor in eine Angriffsbasis zu verwandeln. Zwar ist die interne Absicherung ihres Projekts wie bei vielen übereilten und mit zu wenig Personal ausgestatteten Vorhaben lückenhaft, doch das heißt noch lange nicht, dass sie an gar nichts gedacht haben.
»Ich werde den Assembler heute Abend anlassen«, teilt Janis mir schließlich mit, »damit er Plastiksprengstoff mitsamt Zündkapseln und Reservemagazine produziert. Wenn wir ihn sechs Stunden lang laufen lassen, können wir rund zehn Kilogramm Plastiksprengstoff zusammenbekommen. Zur Produktion eines derart explosiven Sprengstoffs benötigt man jede Menge Energie; wahrscheinlich ist es das Maximum an Energie, das wir abzapfen können, ohne irgendwo einen Alarm auszulösen. Glaubst du, diese Menge reicht dir fürs Langstrecken-Tor?«
»Zehn Kilogramm?« Ich schüttle den Kopf. »Das ist enttäuschend wenig und wirklich nicht gut.«
Sie zuckt die Achseln. »Wenn du riskieren möchtest, Yourdons technische Kinkerlitzchen aus der Reserve zu locken, dann nur zu.«
Da ist was dran: Sehr gut möglich, dass diese Schurken bestimmte Design-Vorlagen für komplexere Waffen mit Trojanern ausgestattet haben. Sicher sind bei allem, was technisch ausgereifter ist als Faustfeuerwaffen und primitiver chemischer Sprengstoff, gewisse Sperrvorrichtungen und Sensorensysteme eingebaut, die wir bei unserer Sicherheitsprüfung übersehen könnten. Die Maschinenpistolen, die Janis hat produzieren lassen, sind grobe Dinger: Für die Visierung gibt es nur Kimme und Korn, der Abzug ist mechanisch, und man kann sie nicht auf Dauerfeuer einstellen. Da sie nicht einmal mit biometrischen Sperren ausgestattet sind, kann jeder Beliebige sie benutzen. Wenn sich jemand deine Waffe schnappt, kann er dich ganz einfach damit abknallen. Im Vergleich zu der Armbrust, mit der ich herumexperimentiert habe, stellen diese Pistolen zwar einen Fortschritt dar, aber keinen besonders großen. Andererseits kann man so gut wie ausschließen, dass Yourdon und Fiore daran herumgepfuscht haben, denn zur technischen Ausstattung gehören bei diesem Typ von Maschinenpistolen keine selbsttätigen elektronischen Anzeigevorrichtungen.
»Hast du die Munition für die Gewehre getestet? Nur zur Sicherheit?«
Janis nickt. »Donnerstab macht bumm . In dieser Hinsicht brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.«
»Na ja, dann wird zumindest etwas funktionieren.« Mir wäre wohler, wenn wir auch noch ein paar Betäubungswaffen »einsammeln« könnten, aber da ich nicht mehr in der Haut von Fiore stecke, lässt sich das wohl kaum machen.
Janis sieht mich an. »Jetzt heißt es entern oder kentern.«
Ich atme tief durch. »Wann wäre das je anders gewesen?«
»Ja, aber damals hatten wir Unterstützung in petto, nicht?« Sie hat den Kopf eingezogen, wirkt defensiv. »Diesmal ist es unsere letzte Show. Mit einem solchen Ende hab ich nicht gerechnet.«
»Ich auch nicht.« Nachdem ich meine Tasche gepackt habe, richte ich mich auf. »Glaubst du, irgendjemand verliert die Nerven und springt ab?«
»Ich hoffe nicht.« Mit nach innen gerichtetem Blick starrt sie auf die Wand. »Ich hoffe nicht.« Ihre Hand gleitet erneut über den Bauch. »Es hat gute Gründe, dass ich schwangere Frauen rekrutiert habe. Die Schwangerschaft verändert die persönlichen Einstellungen, so viel habe ich gelernt.« Ihre Augen glänzen. »So oder so: Die kleinen Scheißer, die sich innerlich immer noch durch das YFH-Gemeinwesen mogeln, indem sie nach außen hin ihre Rollen spielen, entwickeln Wut und bekommen Angst. Und diejenigen, die diese Rollen längst internalisiert haben und sich jetzt auf die Mutterschaft vorbereiten, entwickeln sogar noch größere Wut, wenn sie an das denken, was diese Gehirnwäscher mit ihren Kindern anstellen wollen. Sobald man die Angst und den Zweifel überwunden hat, folgt die Wut. Ich glaube nicht, dass eine der schwangeren Frauen die Nerven verliert und einen Rückzieher macht. Sicher ist dir auch aufgefallen, dass die Männer, die am Treffen teilgenommen haben, sämtlich mit Frauen liiert sind, die derzeit
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