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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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schwanger sind.«
    »Stimmt.« Janis - nein, Sanni - denkt messerscharf. Sie weiß, was sie tut, wenn es darum geht, eine geheim operierende Zelle zu organisieren. Und trotzdem hat dies Messer eine Schneide, die leicht splittern kann. »Sanni, darf ich dich was Persönliches fragen?«
    »Klar«, erwidert sie gleichmütig, doch ich kann bei ihr leichte Anzeichen von Anspannung ausmachen und sehe die Falten rings um ihre Augen. Natürlich weiß sie, weshalb ich sie als Sanni angesprochen habe.
    »Was willst du nach dieser Sache tun?« Ich suche nach den richtigen Worten. »Wir stehen kurz davor, uns in diesem winzigen Gebilde von Gemeinwesen einzuigeln, das aus der Steinzeit stammen könnte … Auf einem Generationenschiff . Für eine Zeitspanne von Gigasekunden, vielleicht auch dem Hundertfachen von Gigasekunden, werden wir hier nicht mehr rauskommen! Ich meine, falls wir uns nicht sowieso dafür entscheiden, in nicht-körperlicher Form zu überwintern. Und bis jetzt dachte ich immer, du wolltest fliehen, in die Außenwelt abhauen, um alle da draußen zu warnen und das YFH-Gemeinwesen von außen anzugreifen und zu zerstören. Stattdessen, na ja … wollen wir jetzt den Fluchttunnel einreißen und uns selbst unter dem Schutt begraben. Was wirst du tun, sobald wir uns selbst von der Außenwelt abgeschnitten haben?«
    Sanni sieht mich an, als wäre mir soeben ein zweiter Kopf gewachsen. »Ich möchte mich zur Ruhe setzen.« Sie blickt sich nervös im Keller um. »Dieser Raum macht mir eine Gänsehaut; wir sollten bald nach Hause gehen. - Hör zu, Reeve - Robin -, irgendwie gehören wir doch hierher. Das hier ist das Glashaus. Dahin haben sie nach Kriegsende diejenigen geschickt, die innerlich kaputt waren. Die Menschen, die eine neue Programmierung, eine Resozialisierung benötigten. Yourdon, Hanta und Fiore gehören hier zweifellos hin. Aber meinst du nicht, dass vielleicht auch wir hierhergehören?« Sie sieht aus, als werde sie von Gespenstern verfolgt.
    Ich wäge kurz ab. »Nein, da bin ich anderer Meinung.« Gleich darauf zwinge ich mich, noch etwas hinzuzufügen. »Aber ich glaube, irgendwann könnte es mir hier gefallen, wenn nur dieser Druck nicht wäre. Der Druck, den … sie auf uns ausüben.«
    »Ursprünglich sollte es ja auch ein Erholungsheim sein, eine verlockende Rückzugsmöglichkeit, Balsam für die gepeinigte Seele. - Geh nach Hause, zu Sam.« Ohne mich anzusehen, macht sie sich auf den Weg zur Treppe. »Denk an das, was du getan hast. Oder was er getan hat. Ich habe Blut an den Händen, und das weiß ich auch.« Sie ist schon auf halber Treppe, sodass ich mich beeilen muss, mit ihr Schritt zu halten. »Meinst du nicht auch, dass man die Welt da draußen vor Leuten wie uns schützen muss?«
    Erst oben fällt mir eine Antwort darauf ein. »Möglich. Kann sein, dass du recht hast. Wir haben wirklich entsetzliche Dinge getan. Aber das waren Kriegszeiten, und es musste getan werden.«
    Sie holt tief Luft. »Ich wünschte, ich hätte dein Selbstvertrauen.«
    Ich mustere sie mit zusammengekniffenen Augen. Mein Selbstvertrauen? Bis ich sie hier allein und verängstigt vorfand, hatte ich stets gedacht, Sanni sei von uns beiden diejenige mit dem Selbstvertrauen. Aber jetzt, wo die Mitverschwörer gegangen sind, wirkt sie verwirrt und ein bisschen verloren. »Ich kann mir keine Zweifel leisten«, erwidere ich. »Denn falls ich zu zweifeln anfange, breche ich wahrscheinlich auseinander.«
    Sie zaubert ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht, das mich an das erste Flutlicht über einer Teststrecke erinnert. »Tu das nicht, Robin. Ich zähle auf dich. Du bist die ganze Armee, die ich brauche.«
    »Okay«, sage ich nur. Und dann geht jeder von uns seiner Wege.

    Ich kehre zu Fuß nach Hause zurück, die mit dem Faradaykäfig gesicherte Tasche über der Schulter. Heute ist nicht der richtige Tag für eine Taxifahrt, schon gar nicht, wo jetzt das Risiko besteht, Ike zu begegnen. Aus irgendwelchen Gründen empfinde ich heute alles intensiver als sonst: Das Gras ist grüner, der Himmel blauer und der Duft, der von den Blumenbeeten hinter den städtischen Gebäuden aufsteigt, überwältigend süß und exotisch. Meine Haut fühlt sich so an, als hätte ich eine massive elektrostatische Aufladung abbekommen, die mir die Härchen aufgestellt hat. Ich bin am Leben , wird mir bewusst. Vielleicht bin ich morgen um diese Zeit schon tot, für alle Ewigkeiten tot. Denn falls wir scheitern, verfügt die Clique, bestehend aus

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