Glashaus
sind ›die‹?«, frage ich. Mein Magen verkrampft sich vor bösen Vorahnungen.
»Man hat mir einen Job auf Zeit zugeteilt. Die holen mich ab, um mich einzuweisen. Wollen mir zeigen, wie die Arbeit hier organisiert ist. Vielleicht bekomme ich später einen anderen Job.«
»Ha.« Ich wende mich wieder der Kaffeemaschine zu, damit er meinen finsteren Blick nicht bemerkt. Wenn das der Wasserbehälter ist, muss dies hier die Venturi-Röhre sein … Die einzelnen Metallteile sind mir noch genauso unverständlich wie vorhin, als ich die Kaffeemaschine noch nicht auseinandergenommen hatte. »Und was soll ich dann tun? Weisen die mir auch einen Job zu?«
»Ich glaube nicht.« Er schweigt kurz. »Du kannst sie um einen Job bitten, aber man erwartet es nicht von dir. Nach den Instruktionen ist mein Job nur für den Anfang gedacht.« Er wirkt nicht allzu glücklich darüber. »Wir werden alle beide dafür bezahlt«, fügt er kurz darauf hinzu.
»Was? Soll das heißen, dass du arbeiten musst und ich die Hälfte der Bezahlung bekomme?«
»Ja.«
Ich schüttle den Kopf und schraube die Maschine wieder zusammen. Nach einer Weile bringe ich sie dazu, gurgelnde und quietschende Geräusche von sich zu geben, während die Röhre eine bräunliche Flüssigkeit ausspuckt. Während ich das Ding anstarre, frage ich mich, ob es nicht zuerst eine Tasse produzieren müsste. Wie dumm von mir, das ist ja gar kein Assembler! Hastig krame ich in den Schränken herum, bis ich zwei Tassen finde. Eine klemme ich unter die gurgelnde Röhre. »Wie idiotisch«, murmle ich und weiß dabei nicht recht, ob ich damit mich oder den längst verstorbenen Designer dieser Maschine meine.
Nachdem das Taxi pünktlich aufgetaucht ist und Sam zur Arbeitseinweisung abgeholt hat, tigere ich eine Weile im Haus umher und versuche dabei herauszufinden, wo sich alles befindet und wozu es dient. Offenbar ist die Waschmaschine mit physikalischen Schaltern ausgestattet, die man irgendwie einstellen muss, damit sie funktioniert. Sie wird mit Wasser betrieben, und man muss »Waschmittel« hinzugeben, ehe man die Kleidung säubert - diese Prozedur ist der Ersatz für zweckmäßig hergestellte, intelligente Stoffe.
Nachdem ich im Handbuch Design fürs tägliche Leben das Kapitel über Stoffe gelesen habe, ist mir leicht übel, und ich beschließe, nur synthetische Stoffe zu tragen. Es hat etwas überaus Ekelhaftes an sich, Dinge anzuziehen, die aus den Körpern toter Tiere hergestellt sind. Es gibt da sogar einen Stoff namens »Seide«, der im Grunde nur aus der Spucke von Insekten besteht. Bei dieser Vorstellung bekomme ich eine richtige Gänsehaut.
Nach zwei Stunden beginne ich mich zu langweilen. Das Haus ist überhaupt nicht auf Kommunikation eingestellt (wenn das hier ein reales Gemeinwesen wäre, würde ich das Haus als autistisch bezeichnen), und die Unterhaltungsmöglichkeiten sind, gelinde gesagt, primitiv. Ich probiere das Telefon aus und überlege, ob ich Cass anrufen und mich nach ihrem Befinden erkundigen soll. (Ich nehme an, auch Mick nimmt an dieser Arbeitseinweisung teil, genau wie Sam.) Aber das Telefon produziert mindestens eine »Minute« lang - mittlerweile versuche ich mich an die seltsamen Zeiteinheiten der Vorfahren zu halten - nur blöde Pieptöne. Vielleicht schläft Cass oder ist einkaufen gegangen. Oder könnte sie tot sein? Einen Moment lang spinne ich herum und stelle mir vor, dass Mick ihr nach Sams Anruf eins über den Kopf gezogen hat, mit der Stange eines Trainingsgeräts. Und danach hat er sie im Keller zerhackt. Oder er hat sie erwürgt, während sie schlief …
Warum hege ich diese grässlichen Fantasien? Irgendetwas stimmt nicht mit mir, ich bin völlig daneben. Was vor allem daran liegt, dass ich mich hier wie in einer Falle fühle. Ich bin von allem abgeschottet, sitze allein in einem Vorstadthaus fest, während mein Gatte der ihm zugewiesenen Arbeit nachgeht. Und all das ist genau das Falsche für mich, denn in Wirklichkeit sucht ein Mörder - es könnten auch mehrere sein - nach mir, weil … Ja, warum? Wegen irgendeiner Sache, die vor dem Eingriff in meine Erinnerungen passiert ist. Und ich bin hier völlig isoliert, sitze fest und quäle mich damit herum, dass ich nichts Genaues weiß.
Ich muss hier raus.
Zehn Minuten später stehe ich vor dem Wintergarten. Ich habe die Stiefel und die Hosen angezogen, die gegen die geltende Kleiderordnung verstoßen, und mir die Schultertasche umgehängt, in der mein Geldbeutel und ein
Weitere Kostenlose Bücher