Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
bewusst. Und ich habe auch kein Interesse daran, an meinem Körper herumzupfuschen und dessen Gestalt künstlich zu verändern. Allerdings hätte ich mich auch niemals freiwillig zu einem Körper entschlossen, der zierlich und zerbrechlich ist. Außerdem könnte man mich fast schon als unterernährt bezeichnen. Wenn ich ins Bad gehe und in den Spiegel sehe, kann ich unter einer subkutanen Fettschicht fast schon meine Rippen zählen. Ich bin nicht daran gewöhnt, so heruntergekommen auszusehen. Und wenn ich denjenigen, der mir das angetan hat, in die Finger bekomme … Ha, aber dann wäre ich gar nicht fähig, es ihm heimzuzahlen, oder?
    »Arschlöcher«, murmele ich mit düsterer Stimme und mache mich auf den Weg zur Küche, um nachzusehen, ob es dort irgendwelche Produkte mit hohem Proteinanteil gibt. Später erkunde ich den Keller. Hier unten gibt es mehrere Apparate, die nach Auskunft meines Slates Haushaltsgeräte sind. Ich rätsele an der Waschmaschine herum, die angeblich die Kleidung säubern kann. Sie hat etwas sehr Primitives, Mechanisches an sich, als wäre ihre Form streng fixiert. Das Ding hat keinerlei Ähnlichkeit mit einer der realen Maschinen, die entgegenkommend und vielgestaltig funktionieren und sich den Bedürfnissen des Menschen anpassen. Dieser Apparat ist nur ein Klumpen aus Keramik und Metall. Er reagiert nicht mal, als ich ihm mitteile, dass ich mein Kleid waschen muss - ein wirklich dummes Gerät.
    Weiter hinten im Keller steht noch etwas, eine mit Hebeln ausgestattete Bank, offenbar dazu da, dass man damit die Oberkörpermuskulatur auf die harte Tour aufbauen kann. Ich bin ein bisschen skeptisch, wie das funktionieren soll, aber der Slate verrät mir, dass diese Menschen ihre Muskulatur dadurch entwickeln mussten, dass sie regelmäßig Gewichte stemmten und andere Übungen durchführten. Nachdem ich die Bedienungsanleitung für das Trainingsgerät gefunden habe, schaffe ich es innerhalb einer guten Kilosekunde, mich in einen zitternden, schwitzenden Wackelpudding zu verwandeln. Dieses Training kommt mir wie eine psychische Folter vor, denn es macht mir unmissverständlich klar, wie schwach ich tatsächlich bin.
    Danach stolpere ich nach oben, dusche und falle in einen unruhigen Schlaf voller schlimmer Träume: Mal ertrinke ich, mal sehe ich, wie Kay beide Armpaare nach mir ausstreckt und um etwas bittet, das ich nicht verstehe. Ganz zu schweigen davon, dass bruchstückhafte Erinnerungen an eine entsetzliche Situation in meinen Träumen herumgeistern: Von einem Geschütz bedrohte Einwanderer drängen und schieben sich vorwärts und betteln laut schreiend darum, dass man sie durch die Pforten zur Hölle lässt. Erschrocken fahre ich aus dem Schlaf hoch und bleibe noch eine halbe Stunde zitternd im Dunkeln liegen. Was geschieht mit mir?
    Ich bin in einem anderen Universum gefangen. Es ist etwas Wahres an der Redensart, dass die Vergangenheit ein uns versperrtes Reich ist. Nur glaube ich, dass die meisten Menschen etwas anderes damit meinen.

    Am nächsten Morgen bin ich gerade in der Küche und versuche aus den Instruktionen für die Kaffeemaschine schlau zu werden, als das Telefon läutet. In der Diele ist ein Anschluss, also gehe ich hinüber, um den Hörer abzunehmen, und frage mich dabei, ob etwas Schlimmes passiert ist. »Ein Anruf für Sam«, sagt eine blecherne Stimme. »Ein Anruf für Sam.«
    Einen Moment lang starre ich auf den Hörer, dann sehe ich zur Treppe hinauf und brülle: »Es ist für dich!«
    »Ich komme.« Sam nimmt jeweils zwei Stufen auf einmal. »Ja?«, fragt er, nachdem ich ihm den Apparat gereicht habe, und hört kurz zu. »Was ist … Das verstehe ich nicht. Können Sie’s wiederholen? Oh. Ja, ja, werd ich machen.«
    Wenn man Gesprächen lauscht, die von einem dieser alten Telefone übermittelt werden, hat das etwas Unheimliches an sich. Sie existieren in einem seltsamen Raum, in einem Bereich, in den von beiden Seiten her Informationen einströmen, obwohl man nur die eine Seite mitbekommt. Und die Privatsphäre ist dabei aufgehoben.
    Sam hört immer noch zu und wirkt, während er weitere Instruktionen erhält, erst verwirrt, dann verärgert. Schließlich legt er auf. »Also gut!«, sagt er mit Nachdruck.
    »Ich versuche gerade, Kaffee zu machen«, bemerke ich. »Komm mit in die Küche und sag mir, was los ist.«
    »Die schicken mir gleich ein Taxi. Ich hab eine halbe ›Stunde‹ Zeit, um mich fertig zu machen. Das sind fast zwei Kilosekunden, stimmt’s?«
    »Wer

Weitere Kostenlose Bücher