Glasklar
dann aber aufgegeben, weil es ihm zu fachspezifisch klang.
Der Optiker sprach zwar langsam, gab Häberle aber keine Gelegenheit zu einer Zwischenfrage. »Letzte Sicherheit, um dies einer bestimmten Person zuweisen zu können, hat man erst, wenn man auch das zweite Brillenglas vergleichen könnte. Diese Werte weichen bei dem Auftrag hier natürlich davon ab – aber das liegt in der Natur der Sache.«
Häberle lauschte angespannt und nutzte eine unverhoffte Pause des Wortschwalls für eine Zwischenfrage: »Und wie sieht’s mit dem Fassungsfabrikat aus?«
»Passt. Es gibt bei mir tatsächlich einen Auftrag, bei dem Fassung und Gläserparameter zusammenpassen«, erwiderte der Fachmann ruhig, ohne sich wohl der Bedeutung dieser Aussage bewusst zu sein.
»Ich nehme an, der Name dieses Kunden liegt Ihnen vor?«, fragte Häberle vorsichtig und zweifelnd nach.
Nach einer endlos langen Sekunde, während der er bereits Sorge hatte, der Anrufer könnte aufgelegt haben, kam eine Antwort. »Das schon, natürlich. Aber Sie werden verstehen, dass ich mir erst noch anwaltlichen Rat einhole, inwieweit eine solche Aussage der Schweigepflicht unterliegt. Schließlich berufe ich mich auf das Rezept eines Arztes.«
Häberle unterdrückte ein lautes Schnaufen. Wenn ihm jetzt erneut Prügel zwischen die Beine geworfen wurden, dann verlor er augenblicklich die Geduld. Augenblicklich. Er war nahe dran zu explodieren. Doch davon ließ er sich nichts anmerken. »Es ist jedenfalls sehr aufmerksam von Ihnen, dass Sie uns trotzdem schon informiert haben«, bemerkte er ruhig.
»Damit hab ich meine Pflicht getan«, stellte der Optiker fest, »und sobald ich meinen Anwalt erreicht habe, melde ich mich wieder.«
»Ich will Sie nicht drängen, aber möglicherweise ist Gefahr im Verzuge, wenn Sie verstehen, was dies bedeutet«, wurde Häberle bestimmter, »denn es könnte sein, dass unser Täter noch weitere Straftaten begeht … Um dies zu vermeiden, wären Ihre Angaben äußerst wichtig für uns.«
»Ein paar Stunden werden wohl kaum eine Rolle spielen. Ich verspreche Ihnen, meinen Anwalt noch heute Abend anzurufen.«
Häberle seufzte, ließ sich Name und Adresse des Optikers geben und legte auf.
Er musste sich beherrschen, um nicht laut hinauszuschreien, was er jetzt dachte.
48.
Das Wasserberghaus war an diesem Sommerabend gut besucht. Als Mariella hinter Linkohr den Gastraum betrat, waren plötzlich einige der Männeraugen auf sie gerichtet. Der Kriminalist ließ sich davon nicht beirren, sondern ging zielstrebig in den Nebenraum, wo er einen freien Eckplatz erspäht hatte. Gunnar folgte den beiden. Im Raum war es schwülwarm und laut. Alle Fenster standen offen. An einem langen Tisch diskutierte eine Gruppe älterer Herren über die Bluttat, die schließlich erst drei Tage zurücklag. Linkohr hatte dies bereits an den ersten Wortfetzen, die er aufschnappen konnte, festgestellt. Eine Bedienung nahm die Bestellung auf – zwei Weizenbiere und eine Apfelsaftschorle. »Finde ich toll, dass du uns hier raufgeführt hast«, meinte Gunnar verlegen, nachdem die Bedienung wieder weg war.
»Das war die Idee deiner Schwester«, gab Linkohr zu, und sie lächelte ihn von der Seite an und sagte: »Eine Partnerschaft lebt auch vom Interesse daran, was der andere macht.«
»Und vom Verständnis dafür«, ergänzte Linkohr nicht ganz ohne Hintergedanken. Ihn plagten seit Langem Ängste, seine ständigen Wochenend- und Nachtdienste könnten Mariella zu viel werden. Sie wäre nicht die Erste, die ihm deswegen davonlaufen würde.
»Du hast mir am Telefon gesagt, dass du dich über Gunnar geärgert hast«, lenkte sie das Gespräch auf ein Thema, das er eigentlich erst ein paar Schlucke Bier später hatte ansprechen wollen. Die Männer am Nebentisch waren offenbar, was den Alkoholpegel anbelangte, schon ein gutes Stück voraus. Zumindest ließ die Lautstärke ihrer Diskussion darauf schließen. Inzwischen war mehrfach der Name Heidenreich gefallen. Linkohr versuchte zwar, mit einem Ohr zu lauschen, doch tat er sich schwer, den Inhalt ihrer Worte zu verstehen.
»Was heißt ›verärgert‹?«, konzentrierte er sich wieder auf Mariellas Feststellung. Er wollte keine unnötige Schärfe in das Gespräch bringen und sah Gunnar fest ins Gesicht. »Er hat mich leicht in Schwierigkeiten gebracht. Und um ehrlich zu sein …« Er überlegte, wie er es formulieren sollte. »So ganz klar ist mir immer noch nicht, was du da oben getrieben hast.«
Gunnar
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