Glasklar
immer so kritisch seht. Doch bloß, weil ihr gelegentlich einen Strafzettel kriegt.« Der Redner bemerkte, dass sich Linkohr für das Gesprächsthema interessierte.
»Abzocker!«, rief einer dazwischen. »Nichts als Abzocker. 200 Euro hab ich bezahlt, bloß weil sie mich auf der Autobahn in einer Baustelle geblitzt haben.«
»Ja, und?«, fragte der Mann an der Stirnseite. »Es wird schon seinen Sinn haben, weshalb die Geschwindigkeit im Baustellenbereich auf der Autobahn auf 80 oder 60 km/h begrenzt ist. Wer sich an Recht und Ordnung hält, hat auch keinen Grund, sich zu beklagen.«
»Reine Schikane!«, meckerte auch ein anderer. »Wenn du mit 60 durch eine Baustelle auf der Autobahn fährst, schieben dich die Lkw-Fahrer vor sich her.«
»Das mag schon sein«, entgegnete der Wortführer, den Linkohr auf maximal 70 schätzte: ein braun gebrannter Mann mit dünnem weißen Haar, der ihm bereits wegen seiner Wortgewandtheit aufgefallen war. »Aber Gesetz ist Gesetz – und wohin das führen würde, wenn wir keine Gesetze hätten, siehst du überall dort, wo Bürgerkrieg herrscht.«
Linkohr nickte ihm zu, worauf der Mann diesen Blickkontakt aufgriff und ihn ansprach: »Das sehen Sie doch auch so, junger Mann, oder?«
Der Jungkriminalist lächelte seiner Mariella zu und wandte sich dann an die Männer vom Nebentisch: »Das sehe ich genauso, ja.« Dann fasste er sich ein Herz und forderte die Herren auf: »Was würden Sie denn im Fall vom Wasserberg hier vorschlagen? Sie sehen das ja ziemlich kritisch, was die Polizei macht, hab ich mit einem Ohr mitgekriegt. Aber was würden Sie unternehmen?«
»Wer sind Sie denn überhaupt?«, schallte es ihm ziemlich unfreundlich von einem schmächtigen Mann entgegen, der mit dem Rücken zu ihm saß und sich deshalb umdrehen musste.
Linkohr zögerte einen kurzen Moment, entschied sich dann aber zu einer ehrlichen Antwort: »Ich bin der Mitarbeiter von dem, den Sie für völlig unfähig halten.«
Für zwei, drei Sekunden herrschte Stille. Alle Blicke waren jetzt auf Linkohr gerichtet.
»Ja, wir sind dankbar für jeden Hinweis, der uns weiterbringen könnte«, räumte der Jungkriminalist ein. »Wenn Sie also eine phänomenale Idee haben – nur zu! Oder hat jemand hier oben etwas gehört, das uns weiterhelfen könnte?«
»Wir sind kein Stammtisch«, unterbrach ihn der Wortführer von der Oberkante des Tisches. »Wir sind rein zufällig da. Wir sind eine Sportgruppe der Turngemeinde Geislingen.«
Linkohr ließ den Blick von einem zum anderen gleiten. Denn als Mitarbeiter der Kriminalaußenstelle in Geislingen, bei der er seit geraumer Zeit war, hätte ihm vielleicht ein Gesicht bekannt vorkommen müssen.
»Man nennt uns die ›Eisenbieger‹«, tönte einer aus der Runde, worauf der Mann am Kopfende sogleich bescheiden anfügte: »Leicht übertrieben. Wir sind eine Kraftsportgruppe, und ich organisiere gelegentlich solche Ausflüge wie heute. Schneider, Jörg Schneider.« Linkohr war der Name geläufig. Der Mann war mal Stadtrat und Sportfunktionär gewesen.
»Haben Sie denn den Herrn Heidenreich gekannt?«, fragte Linkohr forsch. Immerhin war der Name vorhin in der Diskussion gefallen.
Mariella und Gunnar verfolgten das Gespräch mit großen Augen.
»Ich kenn ihn sehr wohl«, antwortete Schneider, was einen sofortigen Zwischenruf zur Folge hatte: »Wen kennt Jörg nicht?«
Doch Schneider ließ sich nicht stören. »Heidenreich hat mal Tennis gespielt – vielleicht vor 20 oder 25 Jahren, als junger Kerl. Er hat immer viel Zeit gehabt. Und wir haben uns gewundert, warum er bei der Polizei ausgestiegen ist. Aber Sie wissen sicher, wie das bei den Ordnungshütern damals war.«
Linkohr, zufrieden, dass er auf diese Weise jemanden getroffen hatte, der das Mordopfer kannte, hakte nach: »Aber in letzter Zeit haben Sie ihn nicht mehr gesehen?«
»Doch, vielleicht vor vier oder sechs Wochen.«
»Und wo?«
»Bei einem Sportlerempfang in der Göppinger Stadthalle. Sogar der Innenminister war da und hat eine Rede gehalten.«
»War Heidenreich denn noch aktiver Tennisspieler?«
»Schon lange nicht mehr. Ich hab mich auch gewundert, weshalb er zu diesem Empfang gekommen ist. Ich wollte ihn noch fragen, aber er war in ein Gespräch mit eurem obersten Boss vertieft.«
»Oberster Boss?« Linkohr konnte mit dieser Bezeichnung nichts anfangen.
»Ja, mit dem Innenminister«, stellte Schneider klar. Er schien stolz darauf zu sein, auch zu dieser erlauchten Gesellschaft gezählt zu
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