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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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unten sind Stalagmiten.« Als ob sich seine Begleiterin jetzt für wissenschaftliche Namen interessierte. Die Frau versuchte, sich mit dem Handschuhrücken die Lehmspritzer vom Mund zu wischen, doch stattdessen verschmierte sie sie noch mehr. Ihr ganzer Körper zitterte. Sie fror und fühlte sich elend. Gleich würde sie sich übergeben müssen. Sie hielt ihren Kopf ruhig, sodass ihr Lichtstrahl auf einen kleinen, am Boden gewachsenen Tropfstein gerichtet blieb.
    »Geht es noch?«, fragte der Mann, dem im Schein seiner Lampe der fahle Gesichtsausdruck der Frau aufgefallen war.
    »Jaja, alles in Ordnung«, erwiderte sie apathisch.
    »Hier gibt’s einige Abzweigungen«, erklärte er und ging weiter. Die Frau folgte, stolperte über Steine und kleine Tropfsteine, stieß mit dem Helm irgendwo dagegen und glaubte, abseits des schmalen Lichtkegels irrationale Bewegungen zu sehen. Weiße Schleier, dunkle Gestalten. Alles nur Einbildung, rief sie sich zur Ordnung. Nur Einbildung. Doch ihr Kopf schien außer Kontrolle zu geraten. Es waren wieder die Bilder, die ihr Gehirn abspielte, immer und immer wieder – als seien sie unauslöschlich in sie gebrannt worden, wie die Daten auf eine DVD . Sie sah die Lagerhalle vor sich, diese triste, betongraue Lagerhalle, in die sie sich zurückgezogen hatten – in einen winzigen Kellerraum, den es in einem Teil des Gebäudes gab. Ein Fenster hatten sie aufgebrochen, um sich dort konspirativ treffen zu können. Wie in einer Höhle – genauso wie jetzt. Auch damals war sie auf der Flucht gewesen. Und einen hatte es das Leben gekostet: Flippi.
     
    Speckinger kam ins Besprechungszimmer, entschuldigte sich kurz für die Störung und gab Häberle zu verstehen, dass es etwas zu berichten gab.
    »Schieß los!«, forderte ihn der Chef auf, »der Herr Sander hat sich entschlossen, mit uns zu kooperieren.«
    Über Speckingers unrasiertes Gesicht huschte ein Lächeln. »Der PD -Leiter ist im Anmarsch.«
    Häberle war ebenso überrascht wie Sander. Wenn der Leiter der Polizeidirektion zu mitternächtlicher Stunde ins Haus kam, dann brannte es irgendwo lichterloh.
    »Und Maggy kommt auch«, fügte Speckinger spitzbübisch hinzu. »Sie wollen dich sprechen.«
    »Wird auch höchste Zeit«, knurrte der Chefermittler und wandte sich an Sander: »In diesem Fall wäre es vielleicht am besten, Sie gehen jetzt nach Hause und gönnen sich ein paar Takte Schlaf.«
    Der Journalist, der soeben stichwortartig alles erzählt und gebeichtet hatte, was den Kriminalisten hilfreich sein konnte, wollte noch mehr sagen, doch Häberle legte seine Hand beruhigend auf dessen Unterarm: »Gönnen Sie sich Ruhe, Herr Sander. Ich versprech Ihnen hier und jetzt, dass wir morgen Vormittag über alles reden können. Aber im Moment wäre es nicht gerade günstig, wenn der PD -Leiter und Maggy Sie hier sehen würden.«
    Sander kapierte. Er steckte seinen Notizblock ein und verließ den Raum. »Gehen Sie hinten raus«, hörte er Häberles sonore Stimme noch. Dem Chefermittler war offenbar viel daran gelegen, dass Sanders nächtliches Auftauchen bei der Kripo nicht allzu sehr publik wurde.
     
    Zehn Minuten später trafen PD -Leiter Kauderer und die Kripochefin ein. Beide waren hellwach und entsprechend zurechtgemacht. Sie begrüßten die übermüdeten Kollegen und verschwanden mit Häberle im Besprechungszimmer, wo noch die leer getrunkenen Kaffeetassen des vorausgegangenen Gesprächs standen.
    »Ich halte es für geboten, dass wir die weitere Vorgehensweise gemeinsam festlegen«, kam Kauderer gleich zur Sache. Er war ein Praktiker, hatte sich als Kriminalist hochgearbeitet und wusste, wovon er sprach. Dies traf auch auf Manuela Maller, genannt Maggy, zu, die einst bei den harten Burschen des Spezialeinsatzkommandos gewesen war.
    »Sie haben mir gesagt, es sei kolportiert worden, ich hätte beim Sportlerempfang kürzlich mit Heidenreich geredet«, fuhr Kauderer fort und spielte mit einem Kugelschreiber.
    »Ob kolportiert oder nicht – jedenfalls gibt es offenbar Zeugen, die so etwas behaupten«, stellte Häberle klar und schob die leeren Tassen beiseite.
    »Ich will jetzt gar nicht wissen, wer das sagt«, blieb Kauderer gelassen. »Fakt ist, dass ich mich mit ihm kurz unterhalten habe – und dass man sich seine Gesprächspartner nicht immer aussuchen kann.«
    Maggy sah die beiden Männer an. Häberle ahnte, was sie in diesem Moment dachte. Deshalb wollte er mit seiner Bemerkung auch nicht länger hinterm Berg halten:

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