Glasklar
Monitor.
»Ich würde mich nicht trauen, deswegen hier mitten in der Nacht aufzutauchen«, sagte Sander. »Ich glaub, ich muss Ihnen ein paar wichtige Dinge mitteilen.«
»So?« Häberle sah noch immer nicht auf. »Ich denke, das dürfen Sie nicht. Wie war denn das mit Ihrem Informanten? Schweigepflicht und so.«
Die Spitzen waren nicht zu überhören.
»Und wenn ich Ihnen sage, dass meine Informationen für Sie wichtig sind?«
»So – ganz plötzlich? Jetzt, mitten in der Nacht?« Häberle drehte sich langsam zu ihm um und ließ seine ernsten Gesichtszüge allmählich in ein Grinsen übergehen. »Mensch, Sander«, wurde er wieder versöhnlich, »warum nicht gleich so?«
»Ich hab es Ihnen doch zu erklären versucht. Aber jetzt bin ich davon überzeugt, dass Sie alles wissen sollten.« Das Eis schien gebrochen zu sein.
»Weil es Ihnen zu heiß wird, hab ich recht?«, triumphierte Häberle. »Sie kriegen gewaltig das Muffensausen, dass Sie der Herr Oberstaatsanwalt ins Loch steckt.«
»Wenn’s das nur wäre«, räumte Sander kleinlaut ein. »Aber möglicherweise weiß ich Dinge, die man Ihnen vorenthalten hat. Und …«, er senkte die Stimme, »wir kennen uns doch lange genug, um das Katz-und-Maus-Spiel aufzugeben.«
Die Gespräche im Raum waren verstummt. Alle Kriminalisten hatten offenbar bemerkt, dass Sander etwas Wichtiges mitteilen wollte.
»Kommen Sie mit«, entschied Häberle schließlich, stand auf und ging voraus zum Besprechungszimmer, das Sander längst kannte. Im Vorbeigehen bat der Chefermittler einen seiner Kollegen, für starken Kaffee zu sorgen.
»Du machst das spitze«, lobte der Mann, während er die starke LED -Leuchte am Helm anknipste und dabei auch der Frau half. »Ab jetzt sind wir auf unser eigenes Licht angewiesen. Aber mach dir nichts draus. Ich hab vorgesorgt. In unserem gemütlichen Biwak gibt es Kerzen und Laternen – und Proviant für vier Tage. Hab ich alles reingeschafft – so nach und nach. Auch Decken. Und natürlich ist das Plätzchen einigermaßen trocken.«
»Ich geh sowieso nicht mehr raus«, erwiderte die Frau stoisch. »Ich steig mit dir runter, so weit du willst – aber ein Zurück gibt es für mich nicht mehr.«
Der Mann schwieg. Er hatte mit diesem Verhalten gerechnet. Wenn sie unten blieb, war ohnehin alles viel einfacher. Genau genommen, war sie ein Sicherheitsrisiko ersten Ranges – für ihn und all die anderen. Er selbst hatte gelernt, sich unter widrigsten Umständen durchzuschlagen. Und jetzt, nachdem seine Tätigkeiten mit Sicherheit irgendwo aktenkundig waren, weil ihm Werner auf die Schliche gekommen war, galt es, vorsichtig zu sein. Da blieb kein Platz mehr für Gefühlsduseleien. Und dass Werners Machenschaften und Hinterhältigkeiten an den Tag kamen, dafür würde hoffentlich dieser rasende Reporter aus dem Filstal sorgen – falls dieser nicht auch in das Geflecht und Dickicht aus Intrigen und Bespitzelungen eingebunden war. Wenn dem so war, dann würde es nur noch wenige Tage dauern, bis die Bullen auch seine wahre Identität vollends aufgedeckt hatten. Oder aber es gab starke Kräfte, die gar kein Interesse daran hatten, weil sie sonst zugeben müssten, dass nicht alles, was der Staatsschutz oder sonstige Spezialeinheiten taten, wirklich hasenrein war. Was in den 70er-Jahren möglich gewesen war, hatte man angesichts heutiger Technik mit Sicherheit noch veredelt.
»Also«, überging er die Bemerkungen der Frau, »was wir tun, machen wir gemeinsam. So haben wir uns das in der Samstagnacht geschworen, falls du das noch nicht vergessen hast.« Er fasste sie an den Schultern und griff in den wachsweichen Lehm, der auf dem Schlaz klebte.
»Natürlich hab ich das nicht vergessen«, versicherte sie. »Wir bleiben beieinander.«
»Okay«, gab er sich versöhnlich. »Dann bleibst du jetzt dicht hinter mir. Es gibt ein paar unangenehme Stellen – aber was die Höhe anbelangt, haben wir das Schlimmste überstanden. Wir gehen nicht in die unterste Ebene, sondern bleiben auf der nächsten.« Er erklärte dies, obwohl er wusste, dass die Frau dafür jetzt kein Interesse hatte und sich das unterirdische Labyrinth auch nicht vorstellen konnte. Ob die zweite oder die dritte Ebene, das nahm sie überhaupt nicht zur Kenntnis. Sie wirkte apathisch und antriebslos. So war sie schon damals als Teenager gewesen, als sie mit seinem Bruder befreundet war.
Sander hatte zwar seine Akten nicht dabei, aber alles geschildert, was ihm im Gedächtnis
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