Glasklar
weiß nicht, was denkbar wäre«, wurde er wortkarg, »aber da gab es doch diese GSG 9 zum Beispiel. Erinnern Sie sich?«
Speckinger kam mit einem Schlag eine ganze Fülle von dramatischen Ereignissen ins Gedächtnis: die Olympischen Spiele 1972 in München und all das Schreckliche der folgenden fünf Jahre – bis hin zu Mogadischu. Er selbst hatte damals gerade erst vom uniformierten Dienst zur Kriminalpolizei gewechselt.
»Hat er denn von seiner damaligen Tätigkeit erzählt?«, konzentrierte er sich wieder auf das Gespräch.
»Nicht mehr, als dass er damals mit einigen Sonderaufgaben betraut gewesen war«, erwiderte Neusser. »Ich hab ihn voriges Jahr mal gefragt, was er nach der Schule gemacht hat – aber so genau wollte er es nicht sagen. Jedenfalls war das mein Eindruck.« Er blickte zu seiner Frau, die zustimmend nickte.
»Aber nachdem Sie sich jetzt daran erinnert haben, ist Ihnen etwas, na, sagen wir mal, seltsam vorgekommen?«
Der Mann sah den Kriminalisten ungläubig an. »Wie kommen Sie denn darauf?« Ihm war es sichtlich unangenehm, mit seinen Bemerkungen möglicherweise dahingehende Ermittlungen ausgelöst zu haben. Auch seine Frau hatte offenbar dieses Gefühl, weshalb sie anfügte: »Werner war halt ein bisschen sonderlich. Wir haben uns alle gewundert, dass er nach so langer Zeit wieder bei uns aufgetaucht ist.«
Die Nachricht, dass es nicht Linkohr war, der in seinem Renault Twingo lag, löste bei der Sonderkommission in Göppingen zunächst Erleichterung aus. Einige bange Minuten lang hatten sie befürchtet, der junge Kollege könnte Opfer eines Verbrechens geworden sein. Doch dann stellte sich heraus, dass der Mann, der im Renault aufgefunden worden war, das Auto angeblich ausgeliehen hatte, um zu dem großen Sonnwendfeuer auf dem Hexensattel fahren zu können.
Kripochefin Manuela Maller hatte sich soeben von Häberle telefonisch über den neuesten Stand informieren lassen. »Der Mann heißt Gunnar Koch und wohnt in Leinfelden-Echterdingen«, teilte sie den Kriminalisten mit, die inzwischen damit begonnen hatten, die telefonischen Nachrichten vom Wasserberg zu registrieren. »Angeblich der Bruder von Linkohrs Neuer«, erklärte sie süffisant.
»Ach so«, kam es aus dem Kreis der Männer zurück. »Die Neue, aha.«
»Kein Neid, bitte«, grinste Maller, »jedenfalls ist er am Leben.«
»Wahrscheinlich sogar voller Leben«, spöttelte eine Männerstimme. »Und wo hält sich der Kollege auf – darf man das auch erfahren?«
»Dieser Gunnar Koch hat zwar zunächst behauptet, dies nicht zu wissen – wohl aus Scham und Angst oder was weiß ich. Aber die Kollegen haben ihn inzwischen zum Reden gebracht. Er sagt, Linkohr verbringe wohl das Wochenende in Leinfelden-Echterdingen.«
Einer aus der Runde antwortete mit Linkohrs Lieblingsspruch, den dieser stets im Zustand allergrößter Verwunderung gebrauchte: »Da haut’s dir ’s Blech weg.«
Ein älterer Kriminalist, der gerade seine Tasse Kaffee leer getrunken hatte, kommentierte: »Und da hat der Herr Kollege gleich sein Auto ausgeliehen, damit der Bruder seiner Gespielin zum Sommernachtsfest auf die Alb fahren kann – sehr nett von ihm. Wirklich sehr nett.«
»Ich kann mir vorstellen, dass unser Mike an so einem Wochenende sein Auto nicht unbedingt braucht«, brummte ein anderer, der trotz verzweifelter Mausklicks eine Datei nicht öffnen konnte. »Er hat vielleicht Besseres zu tun, als in der Landschaft rumzukurven.«
»Wir haben eine Telefonnummer«, versuchte die Chefin die bissigen Kommentare wieder zu versachlichen. »Dort ist er wohl zu erreichen.« Sie reichte ihren Notizzettel an einen der Männer weiter.
»Hat der Herr Koch eigentlich auch gesagt, was er am frühen Sonntagnachmittag dort mit dem Auto unseres Kollegen im Naturschutzgebiet gesucht hat?«, hakte ein rundlicher Mann nach.
»Hat er«, antwortete Manuela Maller und suchte nach einer Formulierung. »Er behauptet, sich verfahren zu haben. Muss in der Nacht wieder ziemlich viel los gewesen sein, dort oben auf dem Hexensattel. Sieht ganz so aus, als sei kreuz und quer geparkt worden, und dieser Koch hat dann wohl einen falschen Weg eingeschlagen, ist diesen Schotterweg hochgefahren und hat sich in der Dunkelheit nicht mehr zurechtgefunden.«
»Vielleicht weniger wegen der Dunkelheit, als vielmehr wegen der Promille«, höhnte einer der Kriminalisten. »Das sieht doch verdammt nach Suff aus, oder?«
Aller Augen waren jetzt auf jenen Kollegen gerichtet, der, mit
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