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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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und schaute auf die im Sonnenlicht hellgrün schimmernden Buchenblätter vor dem offenen Fenster. »Wir sind nach der Schulentlassung zur Bepo nach Göppingen und haben die Ausbildung absolviert. Das war von Herbst ’67 bis ’69. Danach haben sich unsere Wege schnell getrennt.«
    »Wieso eigentlich?«, hakte Watzlaff nach, während von draußen wildes Hundegebell hereindrang.
    »Der Einzeldienst hat uns verschiedene Richtungen einschlagen lassen. Außerdem …« Hilscher suchte nach einer passenden Formulierung. »Ja, außerdem lagen wir nicht auf der gleichen Wellenlänge. Eine richtige Freundschaft hat uns nie verbunden.«
    »Woran hat’s gelegen?«, wollte Häberle wissen.
    »Es gibt Leute, die findet man sympathisch, und andere weniger«, gab Hilscher zurück. »Werner hat dazu geneigt, große Sprüche zu klopfen.«
    »Ein Schwätzer also«, brachte es der Chefermittler auf den Punkt. Schwätzer waren ihm zuwider. Schwätzer gab es zuhauf und überall. Längst war Häberle davon überzeugt, dass es in dieser Republik nur noch Schwätzer zu etwas brachten. Wer nur brav arbeitete und seine Pflicht tat, hatte weder in der Politik noch in der freien Wirtschaft und schon gar nicht in der öffentlichen Verwaltung eine Chance, auf der Karriereleiter nach oben zu steigen. Häberle musste sich innerlich bremsen, um seine Meinung jetzt nicht kundzutun.
    »Schwätzer, ja, so könnte man es nennen«, bestätigte ihn Hilscher. »Und es sieht ganz danach aus, als habe sich der Kollege im Laufe der Jahre nach oben geschwätzt.«
    »So?«, zeigte sich Häberle interessiert.
    »Was er letztlich bei der Polizei noch getan hat, weiß ich nicht. Von irgendwelchen Sondereinsätzen hat er mir gestern Abend was erzählt, aber es hat mich nicht wirklich interessiert, weil man bei ihm früher schon nicht gewusst hat, was Angeberei und was Wahrheit war. Aber ich denke, seine polizeiliche Laufbahn muss sich noch nachvollziehen lassen.«
    »Sicher«, bestätigte Watzlaff, ohne den geringsten Zweifel daran erkennen zu lassen. Und was Watzlaff sagte, das galt. Er war in Kollegenkreisen dafür bekannt, die Dinge beim Namen zu nennen und nichts schönzureden. Das verlangte bisweilen Mut, vor allem, wenn seine Meinung nicht ins Weltbild der Regierenden passte.
    »Dann aber hat er umgesattelt«, stellte Häberle fest, »wohl zur Steuerfahndung oder so.«
    »So sieht es aus, ja«, erklärte Hilscher. »Aber auch darüber hat er gestern großspurig getönt, ohne konkret zu werden. Er sei hinter international agierenden Geldwäschern her, die Drogen- und Schwarzgelder oder Gelder aus groß angelegten Betrügereien ins Ausland schaffen. Über Mittelsmänner und sogenannte Treuhänder – was weiß ich, was da alles dahintersteckt. Sogar von den karibischen Cayman Islands hat er was gefaselt.«
    »Ein bunter Vogel, wie mir scheint«, warf Watzlaff ein. »Wir werden das ermitteln.«
    »Und die Sache mit der Eisenbahn?«, wechselte Häberle das Thema. »Da scheint er ja ziemlich engagiert gewesen zu sein.«
    »So sieht es aus«, wiederholte sich Hilscher. »Aber wie und warum – das entzieht sich meiner Kenntnis.« Er nahm seine Brille von der Nase, wischte mit einem Papiertaschentuch oberflächlich über die Gläser und setzte sie wieder auf. »Aber so, wie ich ihn einschätze, hat er sich in die Sache ziemlich reingekniet. Wir haben es schon vermieden, das Thema überhaupt anzusprechen. Denn dann hat er nicht mehr aufgehört. Ich fand es ziemlich übertrieben, um ehrlich zu sein.«
    »Nichts ist schlimmer als Fanatismus«, meinte Watzlaff. »Fanatiker sind ein Übel. Überall.« Es war eine seiner Bemerkungen, in denen sich die Erfahrungen eines langen Berufslebens spiegelten und mit denen er jedes Mal zum Ausdruck brachte, wie wenig er von den Theoretikern in den Verwaltungen und Ministerien hielt.
    »Da hat er sich wohl nicht nur Freunde gemacht«, fasste Häberle sachlich zusammen.
    »Natürlich nicht«, erwiderte Hilscher. »Gestern Abend hat er sogar mal gesagt, er werde Machenschaften aufdecken, die selbst den Ministerpräsidenten zum Zittern bringen würden.«
    »Oh«, staunte der Chefermittler. »Da hat er sich aber als Landesbeamter viel vorgenommen.«
     
    Bei der Sonderkommission in Göppingen hatte an diesem heißen Juninachmittag die Routinearbeit begonnen. Manuela Maller war mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt Wolfgang Ziegler in Ulm übereingekommen, die Gesprächsverbindungen von Heidenreichs Handy ausfindig machen zu lassen.

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