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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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dem Hörer am Ohr, noch immer darauf wartete, endlich eine Verbindung zu bekommen. Doch dann legte er enttäuscht auf. »Nichts. Die Herrschaften wollen offenbar nicht gestört werden.«
    »Hoffen wir, dass es nur das ist«, meinte Manuela Maller besorgt.

12.
    Joachim Hilscher, Beamter des Polizeipostens in der nahen Ortschaft mit dem schönen Namen ›Kuchen‹, war von seinem Chef Watzlaff um die Mittagszeit telefonisch daheim erreicht und gebeten worden, zu Häberle auf den Wasserberg zu kommen. Hilscher, ein drahtiger Mann mit einem ausgeprägten Personengedächtnis und genauer Ortskenntnis, hatte zweimal nachgefragt, ob mit dem Toten tatsächlich Werner Heidenreich gemeint sei – jener ehemalige Schulkamerad, mit dem er bis spät in die Nacht am Lagerfeuer zusammen war. Auf der Fahrt über die schmalen Straßen und staubigen Wege verselbstständigten sich seine Gedanken immer wieder. Heidenreich tot. Das konnte doch nicht wahr sein. Heidenreich – dieser Mann, den er als schillernde Persönlichkeit mit aufregender Vergangenheit eingestuft hatte. Es gab aus dem Kreise der drei Parallelklassen nur wenige Mitschüler, die eine ähnliche Karriere aufweisen konnten. Hilscher hatte sich mit ihm eine halbe Stunde lang unterhalten und dabei bemerkt, dass sein Gesprächspartner nicht alle Fragen konkret beantwortet hatte und manchen geschickt ausgewichen war. Das war nichts Außergewöhnliches, denn schließlich hatten sie jahrzehntelang keinen Kontakt gehabt, und da durfte das eine oder andere auch verschwiegen werden. Zuletzt hatten sie im Rahmen ihrer Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei zusammengearbeitet. Danach hatten sich ihre Wege getrennt – wie das üblich ist, wenn die jungen Beamtenanwärter auf die Reviere verteilt werden.
    Doch jetzt machte ihm eine innere Stimme Vorwürfe. Hätte er bloß genauer nachgefragt. Wäre er doch aufdringlicher gewesen. So aber wusste er nur, dass Werner Heidenreich ein erbitterter Gegner dieser Schnellbahntrasse war. Und dass er die Baustelle blockieren wollte, wo immer es ging. Er und ein paar weitere militante Gegner, wie es Hilscher erschien, der bei Werners Erzählungen insgeheim froh darüber gewesen war, aus polizeilicher Sicht nicht für das Gebiet der künftigen Trassenführung zuständig zu sein. Schließlich wollte er nicht eines Tages dienstlich mit Werner konfrontiert werden oder ihn gar von der Baustelle tragen müssen.
    Hilscher durfte mit seinem roten Ford Ka die Absperrung vor dem Wasserberghaus passieren und stellte den Kleinwagen in respektablem Abstand vor den gut besetzten Biertischgarnituren ab, um die letzten Meter zu Fuß zu gehen. Er sah sich dabei suchend um, weil er vermutete, dass auch einige Klassenkameraden da sein würden. Doch in der Menge der Wanderer und Ausflügler, die wohl auch die Neugier hergetrieben hatte, entdeckte er keine bekannten Gesichter.
    In der Gaststätte, in der es längst nicht mehr so penetrant nach Zigarettenqualm roch wie zu Zeiten vor dem Rauchverbot, wandte sich Hilscher an den Wirt und erkundigte sich nach Kommissar Häberle. Er erfuhr, dass sich der Ermittler und weitere Kriminalisten im Nebengebäude aufhielten. Als sich Hilscher einen Weg durch die Schar der Ausflügler bahnte, traf er den Chefermittler im dunklen und stickigen Flur. Sie begrüßten sich freundschaftlich, worauf Häberle seinem gleichaltrigen Kollegen auf die Schulter klopfte: »Menschenskind, jetzt sind Sie mal persönlich mitten in einen Fall reingeraten.«
    Hilscher verzog sein Gesicht zu einem verkrampften Lächeln. »Ich könnt’ mir Besseres vorstellen«, versetzte er knapp, während im Hintergrund sein direkter Vorgesetzter, Revierchef Watzlaff, auftauchte und ihn mit einem verschmitzten Lächeln begrüßte. »Sie wissen ja«, sagte er mit leicht ironischem Unterton, »jeder hat das Recht, sich einen Anwalt zu nehmen.«
    Hilscher war nicht nach Witzen zumute. Er folgte Häberle und Watzlaff in den kleinen Raum, der inzwischen zu einer Art Vernehmungszimmer geworden war. Auf dem Tisch lagen mehrere Notizblöcke und vollgeschriebene Blätter. Zwei leer getrunkene Kaffeetassen waren zur Seite geschoben worden.
    »Lieber Herr Kollege«, begann Häberle, »Sie sind für uns ein wichtiger Zeuge.«
    Nachdem sie alle drei Platz genommen hatten, ergänzte Watzlaff: »Wichtig deshalb, weil ein Polizeibeamter weiß, worauf es ankommt.« Er musterte Hilscher von der Seite und runzelte die Stirn. Natürlich war ihm klar, dass Polizisten, wenn sie

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