Glasklar
hat?«
Meinländer zuckte mit den Schultern. »Aufgefallen ist mir in dieser Richtung nichts. Er hat sich an der allgemeinen Konversation beteiligt und ist ein paar Mal auf seine Bürgerinitiative zu sprechen gekommen. Dass er sich mit jemandem aus der Runde besonders unterhalten hat, könnte ich jetzt so nicht sagen.«
Speckinger seufzte in sich hinein. Seine Aufnahmefähigkeit war nach diesen Vernehmungen und in der Hitze des Tages an ihre Grenzen gekommen. »Eine ganz direkte Frage noch«, raffte er sich auf. »Könnte es denn auch sein, dass er sich für Sie interessiert hat?«
Meinländer wurde ungewöhnlich ernst. »Für mich? Wieso sollte er sich für mich interessieren?«
»Keine Ahnung. Aber vielleicht hatte Heidenreich ja auch berufliches Interesse, diesen Kreis der Ehemaligen so plötzlich wieder aufzusuchen.«
»Beruflich? Ich verstehe nicht so recht. Werner Heidenreich war doch bei irgendeiner Finanzbehörde tätig, wenn ich das richtig weiß.«
Speckinger nickte.
Meinländers Blick verfinsterte sich plötzlich, um sogleich ein gezwungenes Lächeln anzudeuten. »Sie meinen jetzt aber nicht, dass ich für Heidenreich interessant gewesen bin? Wenn Sie an mein Erspartes denken, dann kann ich Ihnen versichern, dass alles auf hiesigen Banken liegt – durchschaubar und mehrmals versteuert.«
»Entschuldigen Sie«, wehrte Speckinger ab, um das Gespräch nicht in Disharmonie enden zu lassen. »Das sind alles nur Fragen, die wir jedem stellen.«
»Denken Sie daran, dass ich Rentner bin. Und die Pensionen sind auch für Beamte nicht mehr üppig. Aber das werden Sie selbst wissen.«
»Ich gehe mal davon aus, dass sich Heidenreich nicht mit den üblichen Einkommen befasst hat«, äußerte Speckinger und erhob sich zögernd. »Ihm ging es wohl eher um Einkünfte aus nicht sozialversicherungspflichtigen Geschäften, wenn ich das mal so sagen darf. Aus Geschäften, die keiner Steuerbehörde gemeldet sind. Was glauben Sie, was da so alles abgeht!«
Meinländer erhob sich jetzt auch und versuchte, die Äußerungen des Kriminalisten einzuordnen, vor allem aber, was dieser damit zum jetzigen Zeitpunkt bezwecken wollte. »Wenn Sie an Schwarzgeld denken«, sagte er schließlich, »dann muss ich Sie leider enttäuschen. Ein pensionierter Pädagoge hat kaum eine Chance, sich nebenher größere Geldbeträge zu verdienen.«
Speckinger lächelte versöhnlich. »Es geht auch nicht ums Verdienen, Herr Meinländer.« Er reichte ihm zum Abschied die Hand. »Wer aufs Verdienen angewiesen ist, bringt es in diesem Lande sowieso zu nichts.« Eine Aussage, das musste sich der Kriminalist eingestehen, die von seinem Chef stammte. Von August Häberle, dem er jetzt seine Eindrücke schildern würde.
Meinländer begleitete den Polizisten zur Tür. Als er sie wieder ins Schloss fallen ließ, blieb er für ein paar Sekunden in der Diele stehen, um über das Gespräch nachzudenken. Unterdessen kam seine Ehefrau aus einem der Zimmer und sah ihren Mann irritiert an: »Was hat er denn gewollt?«
»Wenn ich mir das so überlege, kann ich dir das auch nicht genau sagen«, meinte Meinländer und steckte beide Hände in die Taschen seiner Jeans. »Er denkt wohl, Werner Heidenreich hätte uns aushorchen wollen – oder so.«
»Aushorchen? Was hätte er denn aushorchen sollen?«
Meinländer besah sich im Spiegel der Garderobe, als wolle er selbstkritisch prüfen, welchen Eindruck er auf den Kriminalisten gemacht haben könnte. »Vielleicht ist er hinter Steuerbetrügern her.«
Georg Sander hatte den Artikel über das Verbrechen und die Pressekonferenz in Rekordzeit in die Computertastatur gehämmert. Während die Sonne hinter den Bergen der Stadt Geislingen verschwand, drängte Sonntagsdienstkollege Thomas Grün auf Eile. Der Redaktionsschluss rückte näher, und Sander überlegte noch immer, für welches der zur Auswahl stehenden Fotos vom Tatort er sich entscheiden sollte. Schließlich klickte er auf jenes, auf dem auch der Drahtgitterkäfig des Mammutbaumes zu sehen war. Außerdem wollte er in seinen Text noch ein Foto des Knopfes und ein Porträtbildchen von Heidenreich einblocken, das ihm Kollegen aus Kirchheim gemailt hatten.
Grün atmete auf, als Sander endlich erklärte, dass er fertig sei, aber noch einen wichtigen Termin wahrnehmen müsse. Doch selbst wenn Grün mehr darüber hätte wissen wollen, was angesichts seiner Hektik nicht der Fall war, hätte ihm Sander keine ausführliche Antwort gegeben. Der Anrufer, der ihn
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