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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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unterbrach Sabine und zögerte. »Das mag vielleicht in den Krimis so sein – dass man jemanden umbringt, der unbequem ist. Wer soll schon Interesse daran haben, Werner zu töten, bloß weil er gegen den Tunnel ist?«
    »Was soll ich dazu sagen? Böse Menschen gibt es überall.« Mehr fiel Heidelinde dazu nicht ein. Sie hatte sich bisher auch nicht ernsthaft für dieses Schnellbahn-Projekt interessiert.
    »Nein, Heide«, kam es ruhig zurück, »wahrscheinlich spielen da ganz andere Dinge eine Rolle.« Heidelinde wusste nicht, wie sie diese Bemerkung einzuordnen hatte. »Weißt du«, fuhr Sabine fort, »Werner war keiner, der sich mit Stammtischgeschwätz abgegeben hat. Wenn er was angepackt hat, dann hatte dies Hand und Fuß.«
    Heidelinde sagte nichts dazu. Sie war zwar in Werners Parallelklasse gegangen, aber dann hatte sie ihn Jahrzehnte nicht mehr gesehen. Und damals, in der Schule, war er ihr nicht sonderlich aufgefallen.
    »Er war 57«, fuhr Sabine fort, »was weiß ich, was er alles erlebt hat – welche Vergangenheit ihn vielleicht eingeholt hat.«
    »Vielleicht hat er deshalb nie über frühere Zeiten sprechen wollen«, gab Heidelinde zu bedenken, während sie jetzt ganz tief die kühle Luft von der Alb in sich einsog und einem Nachtfalter zusah, der unermüdlich gegen die Scheibe des geschlossenen Wohnzimmerfensters flog, das zum Balkon hinausging.
    »Werner lebte in der Gegenwart«, beharrte Sabine auf ihre Meinung, überlegte kurz und fügte an: »Ich hab ihn nur einmal irritiert erlebt – vor ein paar Tagen, als der anonyme Brief kam. Mit diesem Knopf.«
     
    Georg Sander war mit dem Taxi heimgekommen, was seine Partnerin Doris zunächst mit großer Verwunderung registrierte. Er beruhigte sie jedoch und berichtete ihr im romantisch beleuchteten Wintergarten ausführlich von den Ereignissen der vergangenen Stunden. Sie machte sich große Sorgen. Ihrer Ansicht nach deutete alles darauf hin, dass Georg in etwas hineingezogen werden sollte, das für ihn schlimme Folgen haben könnte. Sie versuchte, ihn davon zu überzeugen, die Schriftstücke, die sie kurz überflogen hatten, der Kriminalpolizei zu übergeben. Doch Sander lehnte dies strikt ab, weil es gegenüber dem Informanten einem Vertrauensbruch gleichgekommen wäre, den er sich als Journalist nicht leisten wollte.
    Einigermaßen angesäuert verließ Doris den Wintergarten und ging ins Bett, während Sander noch einmal das Rotweinglas füllte und beschloss, die Schriftstücke erst einmal ausführlich zu studieren. Zunächst war da ein Anschreiben:
     
    ›Wenn Ihnen daran gelegen ist, Ihrem Schulfreund Werner Heidenreich posthum dienlich zu sein, dann betrachten Sie diese Aufzeichnungen als Hintergrundinformation. Sie belegen, was die Polizei geheim halten will. Solange Werner gelebt hat, habe ich sie in seinem Interesse unter Verschluss gehalten. Doch nun ist die Zeit der Wahrheit gekommen. Vielleicht haben Sie eine Möglichkeit, diese Tatsachen zu verwerten. Falls Sie nicht den Mut dazu haben oder es Ihnen untersagt wird, sie ans Tageslicht zu bringen, dann geben Sie diese Unterlagen auf gar keinen Fall an die Polizei weiter.‹
     
    Sander hatte die Zeilen schnell überflogen, ohne den Inhalt der holprigen Sätze sofort zu begreifen. Deshalb las er sie noch einmal. Wort für Wort. Dabei überkam ihn plötzlich das Gefühl, vom beleuchteten Garten aus beobachtet zu werden. Doch im Schein der Strahler, von denen Sträucher, Farne und der Gartenteich in ein dezentes Licht gehüllt wurden, war niemand zu sehen. Vielleicht, so beruhigte sich Sander, hatte er im Augenwinkel die Katze aus der Nachbarschaft wahrgenommen. Er nippte an seinem Wein und beobachtete durch die Glasfront des Wintergartens, ob sich draußen etwas bewegte. Aber alles blieb ruhig. Es war eine windstille, laue Sommernacht. Durch die mit weißem Alu eingefasste Dachverglasung erkannte er einige helle Sterne und den Mond.
    Sander harrte die halbe Nacht aus – bis ihn Müdigkeit und Alkohol übermannten und sich das Gelesene diffus als Traum in den Halbschlaf mischte. Wenn er auf seinem Stuhl zwischendurch wieder erwachte, glitten seine Augen über die Fotokopie eines Zeitungsartikels, der zum Inhalt des Schnellhefters vor ihm auf dem Tisch gehörte. Es war der Bericht über einen tödlichen Schuss.
     
     

25.
    Die Nacht war ungewöhnlich lau gewesen. Joachim Hilscher hatte seine Uniformmütze auf den Beifahrersitz seines privaten Opel Astra gelegt und war zu Pettrich gefahren. Es

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