Glasklar
der Wald auf dem Wasserberg gehört, ist sicher auch mit entsprechenden Fahrzeugen ausgestattet«, gab Linkohr zu bedenken.
Häberle gähnte verstohlen in sich hinein. Links zog ein Wanderparkplatz vorbei, auf dem das Scheinwerferlicht vier Fahrzeuge traf. »Sehen Sie …«, deutete er zu ihnen hinüber. »Die treiben sich alle hier irgendwo rum.«
»Oder sie haben die Liegesitze runtergekurbelt.«
Häberle überlegte, was er erwidern sollte, und entschied sich für eine flapsige Bemerkung: »Hoffentlich haben die dann nicht nur einen kleinen Twingo zur Verfügung.«
Linkohr wollte nichts dazu sagen. Die Sache mit seinem ausgeliehenen Auto schien die Kollegen sehr zu beschäftigen. Er hätte sich Gunnar gerne nochmals kräftig zur Brust genommen, aber eine innere Stimme riet ihm, sich zurückzuhalten. Er wollte es sich mit Mariellas Bruder schließlich nicht verscherzen. Und schon gar nicht mit ihr. Auch wenn er klammheimlich klären musste, warum nicht sie ihr Auto zur Verfügung gestellt hatte.
Der Audi ließ das Waldstück hinter sich. Die schmale Asphaltstraße, die sich im Licht des Dreiviertelmondes von den Wiesen abhob, führte im weiten Bogen über freies Gelände höher, ehe sie wieder in eine leichte Senke überging. Links der Straße erstreckte sich die sogenannte ›Driving Range‹ des Golfklubs, jenes Gelände also, auf dem die Anfänger mühsam ihre Abschläge proben durften. Häberle musste daran denken, wie er dort einmal einen Schnuppernachmittag verbracht hatte und die Grasnarbe meist weiter flog als der Ball. Nie hätte er bis dahin gedacht, dass es so schwierig war, den Schläger zielgenau einzusetzen. Tagelang noch hatte ihm die Schulter wehgetan, weil jeder Erdtreffer den erlernten Schwung abrupt gestoppt hatte. Damals war ihm klar geworden, weshalb so Anfänger wie er nicht aufs geheiligte ›Green‹ durften. Als ›Greenhörner‹ würden sie die Grasnarbe in Nullkommanix in einen Acker verwandeln. Ein echter Golfer rühmte sich zwar mit der möglichst geringen Anzahl seines Handicaps, woraus sich die Differenz der Schläge ableiten ließ, die er im Vergleich zum rechnerischen Mittelwert brauchte. Für Häberle jedoch hatte das Wort ›Handicap‹ seit seiner gescheiterten Golfkarriere eine ganz andere Bedeutung.
»Schauen Sie mal«, sagte Linkohr und deutete nach vorne. »Ein Taxi.«
Vor ihnen war ein Wagen aus der Golfklub-Zufahrt gekommen und links in ihre Fahrtrichtung abgebogen.
»Ein echter Golfer lässt sich chauffieren«, meinte Häberle süffisant.
»Um diese Zeit noch?«, staunte Linkohr und deutete auf die Uhr im Armaturenbrett. Es war inzwischen halb eins.
»Auch im Golfklub gibt es Hocker«, lächelte der Chef. »Oder soll ich sagen ›alte Stracker‹?«
Der Abstand zum Taxi wurde größer. Es hatte bereits die kurze Ortsdurchfahrt von Oberböhringen erreicht, ohne dort offenbar Tempo 50 einzuhalten.
»Da drüben brennt doch kein Licht mehr«, stellte Linkohr beim Blick nach links in Richtung Golfgelände fest.
»Einer muss ja der Letzte sein und das Licht ausmachen«, blieb Häberle gelassen und trat ein bisschen stärker aufs Gas.
»Trotzdem würde mich interessieren, wer sich hier mit dem Taxi holen lässt, wo sie doch sonst mit dem Rolls daherkommen.«
»Die Zeiten sind vorbei, lieber Kollege«, mahnte Häberle, »da fahren nicht mehr viele mit dem Luxusschlitten vor. Heute geht’s auch mit dem Golf zum Golfen. Hier versuchen sie schon lange, die Mittelschicht fürs Golfen zu gewinnen. Irgendeiner muss diese Anlage schließlich finanzieren.«
»Und trotzdem gibt es Leute, die sich mit dem Taxi abholen lassen.«
»Mein Gott, Herr Linkohr«, zeigte sich Häberle leicht genervt. »Da hat vielleicht einer ein paar Viertele zu viel geschlotzt – und nun lässt er seinen Daimler da oben stehen. Macht doch Sinn, oder?«
Sie holperten über die mit Kopfsteinpflaster gekennzeichnete Ortsmitte. Das Taxi war längst außer Sichtweite.
»Wenn Sie’s beruhigt, dann rufen Sie eine Streife in Geislingen, die sollen dem Taxi entgegenfahren und es stoppen – und fragen Sie gleich mal, wie das Fußballspiel ausgegangen ist«, beschloss Häberle, worauf sein Kollege sofort zum Hörer griff, die Wache in Geislingen rief und sich erkundigte, ob ein Polizeifahrzeug in der Nähe der Oberböhringer Steige sei und ob jemand das Ergebnis des Fußballspiels wisse.
»Es hat Elfmeterschießen gegeben. 4:2 für Spanien«, kam die Antwort zurück. Dann konnten sie mithören, wie
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