Glasklar
müssen.
Die zierliche Frau mit dem couragierten Auftreten schilderte ihren Kollegen den Inhalt des Gesprächs mit Ziegler, worauf sich eine nachdenkliche Stille ausbreitete.
»Was wir machen können«, warf Häberle schließlich ein, »das wäre in der Tat ein persönliches Gespräch. Inoffiziell, unter Männern.« Er lächelte. »Bei einem Weizenbier vielleicht.«
»Wir werden auch feststellen lassen, mit wem er telefonischen Kontakt hat«, meinte Manuela Maller, wohl wissend, dass dies nur möglich war, wenn ein Richter die Genehmigung dazu erteilte.
Häberle versprach, mit Sander Kontakt aufzunehmen. Die Kripochefin verkniff sich den Hinweis, dass Ziegler ausdrücklich gesagt hatte, niemand solle seine Kompetenzen überschreiten. Das war natürlich auch eine unterschwellige Drohung gegen Häberle gewesen.
Jungkriminalist Mike Linkohr hatte die ganze Zeit über still zugehört und sich insgeheim gewundert, wie tief Sander in die Angelegenheit verstrickt war. »Da haut’s dir ’s Blech weg«, entfuhr es ihm. »Wenn das nur nicht eine Nummer zu groß wird für ihn.«
Manuela Maller war um Ausgleich bemüht: »Wir sollten nicht vergessen, dass ein Schulfreund von ihm getötet wurde – und das nach einem gemeinsamen Fest. Das erlebt selbst ein Journalist nicht alle Tage.«
»Und schon gar nicht in der Provinz«, warf ein gepflegt Hochdeutsch redender Kollege ein. »In Berlin-Kreuzberg würde kein Hahn danach krähen. Aber in der Provinz blasen sie das in ihrem Käseblatt auf.«
Häberle grinste ihn an. »Soll ich Ihnen mal was sagen«, versetzte er, »nirgendwo ist’s schöner als in der Provinz. Und in so einem Käseblatt, wie Sie es sagen, steht noch drin, was die Menschen hautnah bewegt und was in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft geschehen ist. Das wird gelesen. Deshalb haben auch wir ganz große Chancen, dass unsere Zeugenaufrufe wahrgenommen werden. Vielleicht sollten wir heute noch an die Öffentlichkeit gehen.« Ihm war, wie es ihm schien, eine geniale Überleitung zu seinem aktuellen Anliegen gelungen. Alle Blicke waren auf Häberle gerichtet. »Dieses Brillenglas vom Mammutkäfig«, gab er sich selbst das Stichwort. »Wir sollten in den morgigen Zeitungen die Frage stellen, wer jemanden kennt, der plötzlich eine andere Brille trägt – oder welcher Optiker heute oder morgen eine entsprechende Reparatur hat vornehmen müssen.«
Die Kollegen raunten und ließen Zustimmung erkennen.
»Der ›Ö‹«, fuhr Häberle fort und meinte den Sachbearbeiter für Öffentlichkeitsarbeit, also den Pressesprecher der Polizeidirektion, »der soll das an die Medien weitergeben.«
Manuela Maller hob den rechten Zeigefinger, als wolle sie bewusst schulmeisterlich sein: »Das muss aber der Leitende Oberstaatsanwalt vorher absegnen.«
»Oh – natürlich«, bemerkte Häberle spitz, »dann hoffen wir, dass der Textvorschlag des ›Ö‹ bis Ende der Woche, juristisch geprüft, wieder zurück ist.«
»Ich werd das veranlassen«, erklärte Linkohr, der sich bereits auf seinen Auftritt bei den Naturschützern am Abend vorbereitete. Dazu hatte er sich bei Google die Satzung des Deutschen Alpenvereins besorgt und gelesen. Schließlich sollte er die Göppinger Sektion bei der heutigen Sitzung des Naturschutz-Arbeitskreises vertreten.
»Inzwischen aber«, wurde Häberle wieder sachlich, »wissen wir, wer vergangene Nacht das Taxi gerufen hat, mit dem Sander heimgefahren ist.«
»Ach?«, staunte Speckinger laut, der sich in der hintersten Ecke an einen Computer verkrochen hatte, um den Rest seiner gestrigen Notizzettel für alle lesbar in das System einzugeben.
»Sehr viel weiter bringt uns das nicht«, stellte Häberle fest, der sich neben die Chefin wieder an den Türrahmen gelehnt hatte. »Wenn man’s dramatisch formulieren würde …«, er konnte interessante Erkenntnisse spannend verpacken, »ja, dann könnte man sagen, ein Toter hat das Taxi gerufen. Denn der Anruf kam von einem Handy, das auf Werner Heidenreich zugelassen ist.«
Linkohr konnte sich nicht zurückhalten. »Da haut’s dir ’s Blech weg.«
Sander hatte sich von Doris zur Redaktion bringen lassen. Dort stand ihm ein Geschäftsfahrzeug zur Verfügung. Inzwischen ärgerte er sich immer mehr, dass er gestern Abend mit seinem Privat-Pkw zu dem konspirativen Treffen gefahren war. Hätte er den Redaktions-Polo benutzt, müsste eindeutig der Verleger für den Reifenschaden aufkommen. So aber würde es wieder einen bürokratischen Papierkrieg
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